Veröffentlicht am Mai 15, 2024

Entgegen der verbreiteten Meinung ist nicht mangelnde Härte, sondern ein untrainierter Fettstoffwechsel der wahre Grund für den Einbruch auf langen Radtouren.

  • Der häufigste Fehler ist das Fahren mit konstant hoher Anstrengung („Sweet Spot“), das die wertvollen Glykogenspeicher zu schnell leert.
  • Die Lösung liegt im polarisierten Training (80/20-Regel), das gezielt die Fähigkeit des Körpers verbessert, Fett als primäre Energiequelle zu nutzen.

Empfehlung: Beginnen Sie damit, Ihre wahren Trainingszonen über einen einfachen Feldtest zu ermitteln, anstatt nach Gefühl zu trainieren. Das ist der erste Schritt zum Aufbau Ihres „metabolischen Motors“.

Das Szenario ist jedem ambitionierten Radfahrer in Deutschland schmerzlich vertraut: Die ersten 60 oder 70 Kilometer der lang ersehnten 100-km-Tour fühlen sich fantastisch an. Die Beine sind stark, der Kopf ist frei. Doch dann, fast wie auf Knopfdruck, schlägt der Hammer zu. Die letzten 20 Kilometer werden zu einem zähen Kampf gegen bleierne Müdigkeit, leere Speicher und den inneren Schweinehund. Man schleppt sich nur noch ins Ziel, von Genuss keine Spur. Dieses Phänomen ist so verbreitet, dass es fast als normal gilt. Radfahren erfreut sich in Deutschland einer riesigen Beliebtheit, was aktuelle Erhebungen mit einem Bestand von fast 88,7 Millionen Fahrrädern in Deutschland im Jahr 2024 bestätigen. Doch mit der wachsenden Ambition wächst auch die Frustration über dieses Leistungs-Plateau.

Die üblichen Ratschläge sind schnell zur Hand: „Iss mehr Gels“, „Trink ausreichend“ oder „Fahr einfach mehr Kilometer“. Diese Tipps sind zwar nicht falsch, kratzen aber nur an der Oberfläche eines viel tiefer liegenden Problems. Sie behandeln die Symptome, nicht die Ursache. Viele Radfahrer versuchen, ihre Ausdauer zu steigern, indem sie jede Ausfahrt in einem anstrengenden, aber gerade noch erträglichen Tempo absolvieren. Sie glauben, Härte sei der einzige Weg zum Erfolg und übersehen dabei die entscheidende physiologische Komponente.

Doch was wäre, wenn die wahre Lösung nicht darin liegt, immer härter zu trainieren, sondern fundamental anders? Wenn der Schlüssel zur Bewältigung von 100 Kilometern und mehr nicht im sturen Kilometersammeln liegt, sondern im gezielten Aufbau eines hocheffizienten metabolischen Motors? Dieser Artikel bricht mit den Mythen des traditionellen Ausdauertrainings. Er zeigt Ihnen, basierend auf sportwissenschaftlichen Erkenntnissen, wie Sie Ihren Körper systematisch darauf programmieren, Fett als nahezu unerschöpfliche Energiequelle zu nutzen. Das schont Ihre begrenzten Kohlenhydratspeicher für die entscheidenden Momente und macht den Einbruch am Ende der Tour zu einer fernen Erinnerung.

Wir werden die wahren Gründe für den Leistungseinbruch analysieren, einen strukturierten Plan zur Steigerung Ihrer Kapazität aufzeigen und die effektivsten Trainingsmethoden wissenschaftlich fundiert vergleichen. Sie lernen, typische Fehler zu vermeiden und Ihre Leistungsgrenze präzise zu bestimmen – ganz ohne teures Equipment. Machen Sie sich bereit, Ihr Training neu zu denken und Ihre Langstreckenziele endlich mit einem Lächeln zu erreichen.

Warum brechen 70% der Radfahrer in den letzten 20 km einer Centurion völlig ein?

Der plötzliche Leistungseinbruch, oft als „den Mann mit dem Hammer treffen“ beschrieben, ist kein Zeichen von Willensschwäche, sondern ein klares physiologisches Signal: Die primäre Energiequelle des Körpers, das in Muskeln und Leber gespeicherte Glykogen, ist erschöpft. Ein durchschnittlich trainierter Sportler verfügt über Glykogenspeicher für etwa 90 bis 120 Minuten intensiver Belastung. Fährt man von Beginn an zu schnell, verbrennt der Körper überproportional viele dieser wertvollen Kohlenhydrate. Die Konsequenz: Auf den letzten, entscheidenden Kilometern fehlt schlichtweg der Treibstoff für hohe Intensitäten.

Der Hauptgrund dafür ist ein weit verbreiteter Trainingsfehler: das sogenannte „Überziehen“ zu Beginn der Tour. Euphorisch durch die Atmosphäre eines Radmarathons oder einfach nur hochmotiviert, starten viele Fahrer mit einer Intensität, die deutlich über ihrer aeroben Schwelle liegt. Sie fühlen sich gut und ignorieren die Warnsignale ihres Körpers. Wie Experten bestätigen, ist das zu schnelle Angehen der häufigste Fehler, der Radsportler scheitern lässt. Der Körper wird gezwungen, primär im anaeroben Bereich zu arbeiten, was die Glykogenspeicher rapide leert.

Der zweite Faktor ist ein untrainierter Fettstoffwechsel. Ein Körper, der es nicht gewohnt ist, bei moderater Intensität effizient Fette zu verstoffwechseln, ist stärker auf die begrenzten Glykogenreserven angewiesen. Das Ziel eines intelligenten Ausdauertrainings ist es daher, den „metabolischen Motor“ so umzuprogrammieren, dass er auch bei höheren Geschwindigkeiten primär auf die nahezu unendlichen Fettreserven zugreift. Dies schont das Glykogen für die wirklich harten Anstiege oder den Endspurt. Der Einbruch ist also kein Schicksal, sondern das direkte Ergebnis einer falschen Pacing-Strategie und eines ineffizienten Energiestoffwechsels.

Wie steigern Sie Ihre Langstrecken-Kapazität von 60 auf 120 km in 12 Wochen?

Die Verdopplung Ihrer Reichweite von 60 auf 120 Kilometer ist kein Hexenwerk, erfordert aber einen systematischen und geduldigen Ansatz anstelle von unstrukturiertem „Drauflosfahren“. Der Schlüssel liegt in der progressiven Steigerung des Umfangs und der intelligenten Verteilung der Intensitäten. Ein bewährter Rahmen ist ein 12-Wochen-Plan, der in drei Blöcke zu je vier Wochen unterteilt ist. Jeder Block besteht aus drei Aufbauwochen und einer Regenerationswoche, in der der Trainingsumfang deutlich reduziert wird, um dem Körper die Anpassung (Superkompensation) zu ermöglichen.

Ein typischer Fehler ist eine zu schnelle Steigerung. Eine sichere und effektive Regel ist, die Distanz der längsten wöchentlichen Ausfahrt um nicht mehr als 10-15% pro Woche zu erhöhen. Wenn Ihre aktuelle längste Tour 60 km beträgt, steigern Sie in der nächsten Woche auf etwa 66-69 km, nicht auf 80 oder 90 km. Dies gibt Ihrem Bewegungsapparat, Ihren Sehnen und Gelenken die nötige Zeit, sich an die zunehmende Belastung anzupassen und beugt Verletzungen vor. Für einen solchen Aufbau sollten Sie etwa fünf Stunden pro Woche für Trainingseinheiten einplanen.

Trainingskalender mit markierten Zyklen für Langstreckenaufbau

Der Plan sollte nicht nur eine lange Ausfahrt am Wochenende beinhalten, sondern auch zwei kürzere, aber spezifische Einheiten unter der Woche. Eine dieser Einheiten sollte sich auf die Grundlagenausdauer konzentrieren, während die andere gezielte, hochintensive Intervalle enthalten kann, um die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) und die Laktattoleranz zu verbessern. Dieser Mix aus langen, langsamen Fahrten und kurzen, harten Reizen ist entscheidend für den Aufbau eines vielseitigen und robusten „metabolischen Motors“, der sowohl auf langen Strecken effizient arbeitet als auch bei Bedarf hohe Leistung abrufen kann.

Intervalltraining oder Long Slow Distance: Was baut mehr Langstrecken-Ausdauer auf?

Die Frage, ob kurze, harte Intervalle (HIIT) oder lange, langsame Fahrten (Long Slow Distance, LSD) besser für die Langstreckenausdauer sind, führt oft zu hitzigen Debatten. Die sportwissenschaftliche Antwort ist jedoch klar: Nicht „entweder/oder“, sondern „sowohl/als auch“ in der richtigen Verteilung ist der Schlüssel. Das effektivste Konzept hierfür ist das polarisierte Training. Diese Methode hat sich in den letzten Jahren als Goldstandard im Ausdauersport etabliert.

Das Prinzip des polarisierten Trainings ist einfach, aber wirkungsvoll. Es besagt, dass der Großteil der Trainingszeit in einem sehr niedrigen Intensitätsbereich verbracht werden sollte, während ein kleiner, aber signifikanter Teil hochintensiv gestaltet wird. Die weit verbreitete 80/20-Regel ist eine durch Studien und Praxis bewährte Methode: 80% der Zeit wird im Grundlagenbereich 1 (GA1) trainiert, also bei sehr lockerer Intensität, bei der eine Unterhaltung problemlos möglich ist. Nur 20% der Zeit werden für hochintensive Intervalle (HIIT) im Entwicklungs- oder Spitzenbereich aufgewendet. Der mittlere, anstrengende „Sweet Spot“-Bereich, in dem viele Amateure fälschlicherweise den Großteil ihres Trainings absolvieren, wird dabei bewusst vermieden.

Der Grund für die Überlegenheit dieses Ansatzes liegt in der gezielten Stimulation verschiedener physiologischer Anpassungen. Die langen, langsamen Einheiten optimieren den Fettstoffwechsel, vergrößern die Mitochondrien (die „Kraftwerke“ der Zellen) und verbessern die Kapillarisierung der Muskulatur. Die kurzen, harten Intervalle hingegen steigern die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) und die Laktattoleranz. Das Fahren im mittleren Bereich bietet zwar von beidem etwas, aber nichts davon optimal, und führt zu einer hohen kumulativen Ermüdung, die die Regeneration behindert.

Der folgende Vergleich verdeutlicht die zentralen Unterschiede zwischen dem polarisierten Ansatz und dem klassischen Schwellentraining.

Vergleich Polarisiertes vs. Schwellentraining
Trainingsart Intensitätsverteilung Haupteffekt
Polarisiertes Training 80% GA1, 20% HIIT Maximale Anpassung ohne Übertraining
Schwellentraining 60-80% mittlere Intensität Konstante Belastung an der Schwelle

Der Steigerungsfehler, der bei 60% zu Übertraining und 4 Wochen Pause führt

Einer der gravierendsten Fehler auf dem Weg zu mehr Ausdauer ist die Missachtung des Prinzips der Regeneration. Angetrieben von Ehrgeiz und dem Wunsch nach schnellen Fortschritten, erhöhen viele Radfahrer sowohl Umfang als auch Intensität zu aggressiv. Sie interpretieren Müdigkeit als notwendiges Übel und nicht als wichtiges Signal des Körpers. Dieses Verhalten führt unweigerlich ins Übertraining, einen Zustand chronischer Erschöpfung, der nicht nur die Leistung stagnieren lässt, sondern oft eine mehrwöchige Zwangspause erfordert.

Der typische Fehler besteht darin, zu viele harte Einheiten zu dicht aufeinander folgen zu lassen. Nach einer hochintensiven Trainingseinheit benötigt der Körper Zeit zur Reparatur und Anpassung. Sportwissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass man berücksichtigen sollte, dass hochintensive Einheiten 48 bis 72 Stunden Regeneration benötigen. Werden innerhalb dieses Zeitfensters weitere harte Reize gesetzt, kann sich der Körper nicht erholen. Die Folge ist ein Leistungsabfall, erhöhte Infektanfälligkeit, Schlafstörungen und eine sinkende Motivation. Man trainiert mehr, wird aber schlechter.

Das Ziel: maximale physiologische Anpassung bei minimalem Risiko für Übertraining. Besser smart als unnötig hart.

– Fritz Horsthemke, Bergzeit Magazin

Eine zu schnelle Steigerung des wöchentlichen Gesamtumfangs um mehr als 15% ist ein weiterer Weg ins Verderben. Dies gilt insbesondere, wenn diese zusätzlichen Kilometer mit hoher Intensität gefahren werden. Ein intelligenter Trainingsplan periodisiert die Belastung und plant bewusst Regenerationswochen ein, in denen der Umfang drastisch reduziert wird. Es geht nicht darum, wer am härtesten trainieren kann, sondern wer sich am besten erholt. Intelligente Athleten hören auf ihren Körper und nutzen Tools wie die Messung der morgendlichen Ruheherzfrequenz, um ihren Erholungsstatus objektiv zu bewerten.

Nahaufnahme eines erschöpften Radfahrers, der seinen Pulsmesser überprüft, ein Warnsignal für Übertraining

An welchem Wochentag planen Sie die lange Ausfahrt für maximale Erholung?

Die Planung der langen Wochenend-Ausfahrt ist für viele berufstätige Radsportler eine logistische Herausforderung. Die Wahl zwischen Samstag und Sonntag hat jedoch erhebliche Auswirkungen auf die Qualität des Trainings und, noch wichtiger, auf die nachfolgende Regeneration. Aus trainingsphysiologischer Sicht ist der Samstag für die längste und härteste Einheit der Woche klar zu bevorzugen.

Der entscheidende Vorteil einer langen Tour am Samstag liegt in der anschließenden Erholungszeit. Der Sonntag steht dann vollständig für die Regeneration zur Verfügung. Dies kann eine passive Erholung auf dem Sofa sein oder, noch besser, eine sehr kurze, lockere Regenerationsfahrt. So hat der Körper fast 48 Stunden Zeit, sich zu erholen, bevor die Arbeitswoche am Montag wieder beginnt. Startet man die lange Tour erst am Sonntag, kehrt man oft erst am späten Nachmittag erschöpft zurück. Der Abend reicht kaum aus, um die Speicher wieder aufzufüllen und mental abzuschalten. Der darauffolgende Montag im Büro wird oft von starker Müdigkeit und schweren Beinen begleitet, was die allgemeine Leistungsfähigkeit und Konzentration beeinträchtigt.

Zudem ist es ratsam, lange Ausfahrten früh am Tag zu starten. Im Sommer vermeidet man so die größte Mittagshitze, die eine zusätzliche Belastung für den Kreislauf darstellt. In den kühleren Jahreszeiten stellt man sicher, bei Tageslicht sicher nach Hause zu kommen. Ein früher Start bedeutet auch, dass das Frühstück eine entscheidende Rolle spielt. Eine kohlenhydratreiche Mahlzeit, idealerweise etwa zwei bis drei Stunden vor dem Start, füllt die Glykogenspeicher optimal auf. Eine kleine Mahlzeit, wie eine Banane oder ein Riegel, kann auch noch eine Stunde vor dem Start sinnvoll sein, um den Blutzuckerspiegel zu stabilisieren.

Wie verteilen Sie 80-10-10 Intensitäten für optimale Multi-Ausdauer-Entwicklung?

Das polarisierte Trainingsmodell, oft als 80/20-Regel bekannt, ist eine hervorragende Richtlinie. Für eine noch feinere Steuerung und die Entwicklung verschiedener Ausdauerfacetten kann eine 80-10-10-Verteilung noch effektiver sein. Dieses Modell, das in der Wissenschaft und bei Eliteathleten Anklang findet, unterteilt die Trainingszeit in drei statt zwei wesentliche Zonen und zielt darauf ab, den problematischen „Sweet Spot“ durch eine klar definierte Schwelle zu ersetzen.

Die Verteilung sieht wie folgt aus:

  • 80% im Grundlagenbereich 1 (GA1): Das Fundament. Hier wird bei sehr niedriger Intensität (ca. 55-75% der maximalen Herzfrequenz) trainiert. Diese Einheiten verbessern primär den Fettstoffwechsel, die aerobe Kapazität und die muskuläre Ausdauer, ohne das System stark zu ermüden. Dies ist die Zone für die langen Ausfahrten.
  • 10% im Schwellenbereich (Laktatschwelle/FTP): Dieser Bereich liegt an der anaeroben Schwelle (ca. 88-93% der maximalen Herzfrequenz). Training in dieser Zone verbessert die Fähigkeit des Körpers, Laktat abzubauen und wiederzuverwenden. Es steigert die Leistung, die man über einen längeren Zeitraum (ca. 30-60 Minuten) aufrechterhalten kann. Typische Einheiten sind längere Intervalle von 8-20 Minuten.
  • 10% im hochintensiven Bereich (HIIT/VO2max): Hier geht es um maximale Anstrengung (über 93% der maximalen Herzfrequenz). Kurze, sehr intensive Intervalle von 30 Sekunden bis 5 Minuten steigern die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) und die anaerobe Kapazität.

Diese Verteilung stellt sicher, dass der „metabolische Motor“ (GA1) die meiste Aufmerksamkeit erhält, während gleichzeitig die „Motorleistung“ (VO2max) und die „Effizienz bei hoher Geschwindigkeit“ (Schwelle) gezielt verbessert werden. Analysen der Trainingsmuster von Weltklasse-Ausdauersportlern bestätigen diesen Ansatz. So zeigen Auswertungen eine Trainingsverteilung bei erfolgreichen Athleten, bei der etwa 75% der Zeit im aeroben Bereich und nur 10% im Laktatschwellenbereich verbracht werden. Für ambitionierte Amateure bietet das 80-10-10-Modell eine pragmatische und äußerst wirksame Struktur, um eine umfassende Leistungsfähigkeit aufzubauen und Plateaus zu durchbrechen.

Warum beschleunigt eine 60-minütige Erholungsfahrt die Regeneration um 48 Stunden?

Nach einer langen, anstrengenden Tour am Wochenende ist die erste Intuition oft, die Beine komplett hochzulegen. Doch aktive Regeneration in Form einer kurzen, extrem lockeren Erholungsfahrt kann den Erholungsprozess erheblich beschleunigen. Eine solche Einheit, korrekt ausgeführt, wirkt wie eine sanfte Spülung für die Muskulatur und kann die Zeit bis zur vollständigen Wiederherstellung um bis zu 48 Stunden verkürzen.

Der Mechanismus dahinter ist einfach: Intensive Belastungen führen zur Ansammlung von Stoffwechselabfallprodukten wie Laktat in den Muskeln. Eine sehr lockere Bewegung mit hoher Trittfrequenz (über 90 U/min) bei minimalem Widerstand kurbelt die Durchblutung an. Dieser erhöhte Blutfluss hilft, diese Abfallprodukte schneller abzutransportieren und die Muskeln mit sauerstoff- und nährstoffreichem Blut zu versorgen. Im Gegensatz zur passiven Erholung, bei der diese Prozesse langsamer ablaufen, unterstützt die aktive Regeneration den Körper bei seinen „Aufräumarbeiten“.

Die größte Herausforderung bei einer Erholungsfahrt ist die Intensitäts-Disziplin. Sie muss sich so leicht anfühlen, dass es fast lächerlich wirkt. Eine berühmte Faustregel fasst dies perfekt zusammen:

Die goldene Regel der Erholungsfahrt: Wenn du überholst, fährst du zu schnell.

– Sportwissenschaftler, Trainingsempfehlung für Regenerationsfahrten

Eine Erholungsfahrt, die zu intensiv ist, bewirkt das Gegenteil: Sie setzt einen neuen Trainingsreiz und behindert die Regeneration. Der ideale Zeitpunkt ist der Morgen nach der harten Einheit, zum Beispiel am Montagmorgen vor der Arbeit. Sie sollte nicht länger als 45-60 Minuten dauern und ausschließlich im flachen Gelände ohne jegliche Sprints oder Anstiege stattfinden. Das Ziel ist nicht Training, sondern reine Erholung.

Ihr Plan für die perfekte Erholungsfahrt

  1. Herzfrequenz kontrollieren: Halten Sie Ihre Herzfrequenz konsequent unter 60-65% Ihrer maximalen Herzfrequenz. Jegliche Anstrengung ist zu vermeiden.
  2. Dauer und Trittfrequenz: Planen Sie eine Dauer von 45 bis maximal 60 Minuten ein. Fahren Sie mit einer hohen, lockeren Trittfrequenz von 90-100 Umdrehungen pro Minute.
  3. Gelände wählen: Suchen Sie sich eine absolut flache Strecke. Vermeiden Sie jegliche Hügel, Anstiege oder auch nur kurze Sprints zur nächsten Ampel.
  4. Timing optimieren: Der beste Zeitpunkt ist 12 bis 24 Stunden nach Ihrer harten Belastung, zum Beispiel am Morgen nach der langen Wochenendtour.
  5. Fokus auf Regeneration: Verstehen Sie diese Einheit nicht als Training, sondern als aktive Maßnahme zur Beschleunigung des Abbaus von Stoffwechselprodukten wie Laktat und zur Förderung der Durchblutung.

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Leistungseinbruch auf langen Touren ist meist auf leere Glykogenspeicher zurückzuführen, verursacht durch zu hohe Anfangsintensität und einen untrainierten Fettstoffwechsel.
  • Polarisiertes Training (80% locker, 20% intensiv) ist der effektivste Weg, um den „metabolischen Motor“ aufzubauen und die Langstreckenausdauer zu verbessern, da es gezielt den Fettstoffwechsel und die VO2max trainiert.
  • Ein systematischer Trainingsaufbau mit einer Steigerung von maximal 10-15% pro Woche und geplanten Regenerationsphasen ist entscheidend, um Übertraining und Zwangspausen zu vermeiden.

Wie messen Sie Ihre wahre Leistungsgrenze ohne teures Laktattest-Labor?

Um Ihr Training nach dem polarisierten Modell oder der 80-10-10-Verteilung präzise zu steuern, müssen Sie Ihre individuellen Trainingszonen kennen. Diese basieren auf Ihrer anaeroben Schwelle, die oft als Functional Threshold Power (FTP) bezeichnet wird. Während eine Laktatdiagnostik im Labor der Goldstandard ist, können Sie diese Schwelle mit einem einfachen 20-Minuten-Feldtest sehr genau und kostenlos selbst bestimmen. Dieser Test bildet die Grundlage für Ihr gesamtes strukturiertes Training.

Für den Test benötigen Sie lediglich ein Fahrrad mit Herzfrequenzmesser und idealerweise einen Powermeter. Suchen Sie sich eine Strecke, die Sie 20 Minuten lang ungestört und mit konstanter Anstrengung fahren können, am besten ein gleichmäßiger Anstieg von 3-5% Steigung oder eine flache, verkehrsarme Straße ohne Wind. Nach einem gründlichen Aufwärmen von mindestens 15 Minuten fahren Sie 20 Minuten lang am absoluten Maximum dessen, was Sie über diesen Zeitraum aufrechterhalten können. Es ist entscheidend, das Tempo so zu wählen, dass Sie nicht nach 10 Minuten einbrechen, aber am Ende der 20 Minuten völlig erschöpft sind.

Die Auswertung ist einfach: Nehmen Sie Ihre durchschnittliche Herzfrequenz und (falls vorhanden) die durchschnittliche Wattleistung dieser 20 Minuten. Ihre Schwellen-Herzfrequenz (und FTP) entspricht dann etwa 95% dieses Durchschnittswertes. Ein Beispiel: Wenn Ihre Durchschnitts-Herzfrequenz im Test 170 Schläge betrug, liegt Ihre geschätzte Schwellen-Herzfrequenz bei 170 x 0,95 = 161,5 Schlägen/Minute. Basierend auf diesem Wert können Sie nun Ihre fünf oder mehr Trainingszonen präzise berechnen und sicherstellen, dass Ihre lockeren Einheiten wirklich locker und Ihre harten Einheiten wirklich hart sind. Die Grundlage für Ihr Training wird durch den FTP-Test und die Herzfrequenzdaten gelegt.

Die objektive Messung Ihrer Leistungsgrenze ist der Wendepunkt vom unstrukturierten Fahren zum gezielten Training. Um zu beginnen, ist es unerlässlich, dass Sie die Durchführung dieses fundamentalen Leistungstests verstehen.

Mit diesem Wissen über die wahren Ursachen des Leistungseinbruchs und einer klaren, datengestützten Strategie sind Sie nun bestens gerüstet. Beginnen Sie damit, Ihren aktuellen Leistungsstand mit dem beschriebenen Feldtest zu ermitteln. Dies ist der erste, entscheidende Schritt, um Ihr Training zu transformieren und Ihre Langstreckenziele nicht nur zu erreichen, sondern sie mit Kraft und Freude zu genießen.

Geschrieben von Lars Schmidt, Lars Schmidt ist Diplom-Sportwissenschaftler und seit 16 Jahren lizenzierter Radsport-Trainer (A-Lizenz Deutscher Olympischer Sportbund). Er leitet ein Trainingsanalyse-Labor in Frankfurt und betreut sowohl Hobbysportler als auch ambitionierte Amateure in wissenschaftlich fundierter Leistungsoptimierung.