Veröffentlicht am März 15, 2024

Entgegen der Annahme ist nicht Ihre allgemeine Ausdauer der limitierende Faktor am Berg, sondern die spezifische Ermüdungsresistenz Ihrer Beinmuskulatur.

  • Lokale (periphere) Ermüdung tritt auf, wenn die Muskeln die anfallenden Stoffwechselprodukte nicht schnell genug neutralisieren und abtransportieren können, auch wenn das Herz-Kreislauf-System noch Reserven hat.
  • Gezielte Schwellen- und Kraftausdauer-Intervalle sind effektiver als reines Grundlagentraining, um die muskuläre Pufferkapazität und Sauerstoffextraktion zu erhöhen.

Empfehlung: Fokussieren Sie Ihr Training auf die Qualität intensiver Einheiten, die gezielt die Muskulatur reizen, anstatt sich ausschließlich auf das Trainingsvolumen zu konzentrieren.

Jeder ambitionierte Radsportler in Deutschland kennt das Gefühl: Am langen Anstieg, sei es in den Alpen, im Harz oder im Schwarzwald, beginnen die Oberschenkel zu brennen. Die Beine fühlen sich schwer und kraftlos an, obwohl die Atmung kontrolliert ist und das Herz-Kreislauf-System scheinbar noch Kapazitäten hätte. Man wird abgehängt, nicht weil die Puste ausgeht, sondern weil die lokale Muskulatur kapituliert. Die gängigen Ratschläge sind schnell zur Hand: „Du musst mehr Grundlage fahren“ oder „Arbeite an deiner Schwelle“. Diese Ansätze sind zwar fundamental, greifen aber oft zu kurz, weil sie das Kernproblem übersehen.

Die Frustration, die aus dieser Diskrepanz zwischen zentraler (kardialer) und peripherer (muskulärer) Leistungsfähigkeit entsteht, ist ein klares Zeichen dafür, dass das Training nicht spezifisch genug ist. Es ist, als hätte man einen Formel-1-Motor in einem normalen PKW-Fahrwerk – die Kraft kann nicht auf die Straße gebracht werden, weil die Komponenten überfordert sind. Die eigentliche Ursache für das Brennen in den Beinen ist weniger das Laktat selbst, als vielmehr die Ansammlung von Wasserstoff-Ionen, die den pH-Wert im Muskel senken und dessen Funktion beeinträchtigen.

Aber was, wenn der Schlüssel zur Beherrschung von 30-minütigen Anstiegen nicht nur in der Verbesserung des „Motors“, also des Herz-Lungen-Systems, liegt, sondern vielmehr in der gezielten Stärkung des „Fahrwerks“ – der biochemischen Widerstandsfähigkeit Ihrer Beinmuskeln? Dieser Artikel bricht mit der alleinigen Fokussierung auf die FTP oder VO2max. Wir tauchen tief in die Physiologie der lokalen muskulären Ermüdung ein und zeigen Ihnen, wie Sie Ihre Laktattoleranz dort steigern, wo sie am meisten zählt: direkt im Muskel.

Wir werden untersuchen, warum Ihre Beine zuerst nachgeben, welche spezifischen Trainingsprotokolle maximale lokale Ermüdungsresistenz aufbauen und wie Sie diese Einheiten intelligent in Ihre Woche integrieren, ohne ins Übertraining zu geraten. Es ist an der Zeit, Ihr Training so zu justieren, dass Motor und Fahrwerk perfekt harmonieren und Sie am Berg Ihr volles Potenzial entfalten können.

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Um dieses komplexe Thema strukturiert anzugehen, finden Sie hier eine Übersicht der entscheidenden Aspekte, die wir in diesem Leitfaden behandeln werden. Jeder Abschnitt baut auf dem vorherigen auf, um Ihnen ein umfassendes Verständnis und praxistaugliche Strategien an die Hand zu geben.

Warum brennen Ihre Beine bei Anstiegen, obwohl Sie atmen können?

Dieses Phänomen, das viele Radsportler frustriert, ist der klassische Konflikt zwischen zentraler und peripherer Leistungsfähigkeit. Ihre zentrale Leistungsfähigkeit – das Herz-Kreislauf-System oder der „Motor“ – ist für die Sauerstoffversorgung zuständig. Wenn Sie noch normal atmen können, bedeutet das, Ihr Motor läuft noch nicht am Limit. Die periphere Leistungsfähigkeit hingegen beschreibt die Fähigkeit Ihrer Beinmuskulatur – das „Fahrwerk“ – diesen Sauerstoff zu nutzen und den bei intensiver Belastung entstehenden Stoffwechselabfällen standzuhalten. Das brennende Gefühl ist ein klares Signal, dass Ihr Fahrwerk überfordert ist, nicht Ihr Motor.

Die Hauptursache ist eine limitierte muskuläre Pufferkapazität. Bei hoher Intensität fällt vermehrt Laktat als Nebenprodukt des anaeroben Stoffwechsels an, welches in Laktat-Ionen und Wasserstoff-Ionen (H+) zerfällt. Diese H+-Ionen lassen den pH-Wert im Muskel sinken und hemmen Schlüsselenzyme der Energiebereitstellung, was zu dem schmerzhaften Brennen und einem rapiden Leistungsabfall führt. Ein gut trainierter Muskel kann diese Ionen besser neutralisieren. Wenn die Beine also „dicht machen“, während der Puls noch im Rahmen ist, ist das ein Indiz für eine unzureichend trainierte lokale Ermüdungsresistenz.

Infografik zeigt metaphorischen Vergleich zwischen Herz-Lungen-System als Motor und Beinmuskulatur als Fahrwerk eines Radfahrers.

Wie diese Infografik metaphorisch darstellt, nützt der stärkste Motor nichts, wenn das Fahrwerk die Kraft nicht auf die Straße bringen kann. Um herauszufinden, wo Ihre persönliche Limitierung liegt, können Sie einen einfachen Selbsttest durchführen. Fahren Sie einen bekannten, 8-10-minütigen Anstieg mit konstanter, hoher Intensität und bewerten Sie alle zwei Minuten Ihre Anstrengung getrennt für Beine und Atmung auf einer Skala von 1-10. Liegt der Wert für die Beine konstant und deutlich über dem Wert für die Atmung, ist Ihre periphere, muskuläre Leistungsfähigkeit der primär limitierende Faktor.

Welche Intensität und Dauer bauen maximale lokale Ermüdungsresistenz auf?

Um die Widerstandsfähigkeit der Muskulatur gezielt zu verbessern, sind Standard-Grundlageneinheiten nicht ausreichend. Sie benötigen spezifische Reize, die den Muskel an die Belastungsgrenze bringen und genau jene Anpassungen provozieren, die seine Pufferkapazität und Sauerstoffverwertung optimieren. Der Fokus liegt auf Intervallen, die lange genug andauern, um eine signifikante Ansammlung von Stoffwechselprodukten zu bewirken, aber nicht so intensiv sind, dass die Einheit vorzeitig abgebrochen werden muss.

Zwei Arten von Intervallen haben sich als besonders wirksam erwiesen, um das muskuläre „Fahrwerk“ zu stärken:

  • Sweet-Spot-Intervalle: Diese Einheiten bei 85-95% Ihrer Funktionsleistungsschwelle (FTP) sind der „süße Fleck“ des Trainings. Sie sind hart genug, um physiologische Anpassungen auszulösen, aber nicht so hart, dass sie eine übermäßige Erschöpfung verursachen. Protokolle wie 2×20 Minuten oder 3×15 Minuten in diesem Bereich sind ideal, um die Fähigkeit des Körpers zu verbessern, Laktat zu verstoffwechseln und zu tolerieren. Sie sind der Grundpfeiler für den Aufbau einer robusten Ermüdungsresistenz.
  • Kraftausdauer-Intervalle (KA): Diese Intervalle zielen direkt auf die muskuläre Komponente ab. Dabei werden bei 70-90% der Schwellenleistung lange Intervalle mit einer niedrigen Trittfrequenz von 50-70 U/min gefahren, oft in aerodynamischer Position. Dieser hohe Drehmoment bei niedriger Frequenz erhöht die intramuskuläre Spannung und zwingt den Muskel, mehr Muskelfasern zu rekrutieren und seine Kraft über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten. Besonders in der Vorbereitung auf lange Anstiege, wie beim Ötztaler Radmarathon, sind solche Einheiten 6-8 Wochen vor dem Event Gold wert.

Eine weitere, fortgeschrittene Methode sind Over-Under-Intervalle. Hier wechseln Sie rhythmisch zwischen einer Intensität knapp über Ihrer Schwelle (z.B. 105% FTP für 1-2 Minuten) und knapp darunter (z.B. 90% FTP für 2-3 Minuten). Diese Wechsel „überfluten“ den Muskel kurzzeitig mit Laktat und zwingen ihn dann in der „Under“-Phase, dieses so effizient wie möglich abzubauen. Dies trainiert die Laktat-Shuttle-Mechanismen des Körpers extrem effektiv.

2x oder 4x pro Woche Schwellentraining: Was baut mehr Laktattoleranz auf?

Die Antwort auf diese Frage ist ein klares „Weniger ist mehr“. Während die Versuchung groß ist, die Frequenz intensiver Einheiten zu erhöhen, um schnellere Fortschritte zu erzielen, führt dies meist ins Gegenteil: Stagnation oder Übertraining. Die Entwicklung der Laktattoleranz ist ein Prozess, der auf dem Prinzip von Belastung und anschließender Anpassung (Superkompensation) beruht. Ohne ausreichende Erholung zwischen den harten Einheiten kann diese Anpassung nicht stattfinden. Für die meisten Amateursportler sind zwei intensive, qualitativ hochwertige Einheiten pro Woche das absolute Maximum und der effektivste Weg.

Dieses Vorgehen deckt sich mit dem Prinzip des polarisierten Trainings. Eine groß angelegte Studie mit Ausdauer-Athleten zeigte, dass eine Verteilung der Trainingszeit von rund 80% bei niedriger Intensität und 20% bei hoher Intensität die besten Ergebnisse liefert. So zeigte sich bei einer 80-20-Verteilung eine um 11,7% höhere Leistungssteigerung im Vergleich zu Trainingsmodellen mit einem höheren Anteil an mittlerer Intensität. Die vielen lockeren Kilometer schaffen die aerobe Basis, die es erst ermöglicht, die harten Einheiten mit der nötigen Qualität durchzuführen und sich davon zu erholen.

Die optimale Frequenz hängt auch stark vom Alter und der Trainingserfahrung ab, da die Regenerationsfähigkeit eine entscheidende Rolle spielt. Der folgende Überblick bietet eine Orientierung für deutsche Radsportler:

Optimale Frequenz für Schwellentraining nach Alter und Erfahrung
Altersgruppe Trainingserfahrung Optimale Frequenz Block-Periodisierung
25-35 Jahre < 5 Jahre 3-4x/Woche 2 Tage hintereinander möglich
35-45 Jahre 5-10 Jahre 2-3x/Woche Max 2 Tage, dann 48h Pause
45+ Jahre > 10 Jahre 2x/Woche Einzelne Einheiten mit 72h Erholung

Für Athleten über 40 (Masters-Athleten) ist eine ausreichende Erholung noch kritischer. Hier ist es oft sinnvoller, intensive Einheiten nicht an zwei aufeinanderfolgenden Tagen zu planen, sondern mindestens 48 bis 72 Stunden Pause dazwischen zu lassen. Qualität schlägt hier immer Quantität.

Das tägliche Schwellentraining, das nach 3 Wochen zu totalem Formverlust führt

Der Versuch, den Fortschritt durch tägliche oder zu häufige intensive Einheiten zu erzwingen, ist der sicherste Weg ins Übertraining (Overtraining Syndrome, OTS). Anfangs mag man sich noch stark fühlen, doch nach wenigen Wochen kippt das System. Die Leistung stagniert, dann fällt sie ab. Man fühlt sich permanent müde, die Motivation sinkt, der Schlaf wird schlechter, und die Infektanfälligkeit steigt. Der Körper befindet sich in einem Zustand der chronischen Erschöpfung, aus dem er sich nicht mehr erholen kann. Anstatt stärker zu werden, baut man Form ab.

Dieses Phänomen ist eine Folge einer hormonellen Dysbalance und einer Überlastung des zentralen Nervensystems (ZNS). Der Körper schüttet permanent Stresshormone wie Cortisol aus, während anabole (aufbauende) Hormone wie Testosteron sinken. Die Fähigkeit zur Regeneration ist massiv beeinträchtigt. Wie es das RennRad Magazin treffend formuliert, ist die Grenze zwischen optimaler Forderung und dem Abgleiten in die Überlastung schmal.

Die Schwelle von einem optimal harten, fordernden Training zu einem Abrutschen ins Übertraining ist schmal

– Redaktion RennRad, RennRad Magazin – Ausdauertraining Methoden

Ein einzelner, erschöpfter Radfahrer sitzt bei nebligem Morgenlicht am Straßenrand und hält seinen Kopf in den Händen, ein Symbol für Übertraining.

Die Erholung von einem echten Übertrainingssyndrom kann Wochen oder sogar Monate dauern. Daher ist es entscheidend, die Frühwarnzeichen zu erkennen und rechtzeitig gegenzusteuern. Moderne Trainings-Tools können dabei helfen, objektive Daten zur Überwachung der Belastung zu nutzen.

Ihr persönliches Frühwarnsystem: Checkliste gegen Übertraining

  1. Ruhepuls: Messen Sie Ihren morgendlichen Ruhepuls. Ein Anstieg um mehr als 5 Schläge pro Minute über mehrere Tage ist ein klares Warnsignal.
  2. Herzfrequenzvariabilität (HRV): Überwachen Sie Ihre HRV. Ein signifikanter Abfall um mehr als 20% gegenüber Ihrem Normalwert deutet auf eine hohe Belastung hin und empfiehlt einen sofortigen Ruhetag.
  3. Schlafqualität: Tracken Sie Ihre Schlafdauer und -qualität. Weniger als 6 Stunden Schlaf oder häufiges nächtliches Aufwachen sind Indikatoren für eine unzureichende Erholung.
  4. Trainingsmotivation: Bewerten Sie Ihre Lust aufs Training täglich auf einer Skala von 1-10. Ein Wert unter 5 an drei aufeinanderfolgenden Tagen signalisiert die Notwendigkeit einer Entlastungswoche (Deload).
  5. Beinpower-Test: Führen Sie einen einfachen Leistungstest durch (z.B. ein kurzer, maximaler Sprint). Ein Leistungsabfall von mehr als 10% bei gleichem Gefühl kann auf eine Ermüdung des zentralen Nervensystems hindeuten.

Kohlenhydrate oder Nüchterntraining: Was optimiert Laktattoleranz-Entwicklung?

Für das gezielte Training der Laktattoleranz gibt es eine klare Antwort: Kohlenhydrate sind der entscheidende Treibstoff. Intensive Belastungen im Schwellen- oder VO2max-Bereich sind hochgradig von der glykolytischen, also der kohlenhydratbasierten, Energiebereitstellung abhängig. Ein Nüchterntraining, also eine Einheit ohne vorherige Kohlenhydratzufuhr, ist für die Fettverbrennung im Grundlagentraining nützlich, aber für hochintensive Intervalle kontraproduktiv. Ohne ausreichend gefüllte Glykogenspeicher können Sie die notwendige Intensität und Dauer nicht aufrechterhalten, um den gewünschten Trainingsreiz zur Verbesserung der Laktattoleranz zu setzen.

Die Intensität bestimmt den Kraftstoff. Während bei lockeren Einheiten der Fettstoffwechsel dominiert, steigt der Kohlenhydratverbrauch exponentiell mit der Leistung an. Beim Fahren an der individuellen anaeroben Schwelle verbraucht der Körper laut Sportwissenschaftler Björn Geesmann von Alpecin Cycling bis zu 200-250g Kohlenhydrate pro Stunde. Versuchen Sie, eine solche Einheit mit leeren Speichern zu absolvieren, werden Sie unweigerlich einbrechen, bevor der eigentliche Trainingsreiz gesetzt werden konnte.

Die Strategie ist daher, den Körper für harte Einheiten optimal vorzubereiten. Das bedeutet, die Glykogenspeicher im Vorfeld aufzufüllen und auch während der Belastung für kontinuierlichen Nachschub zu sorgen. Ein präziser Ernährungsfahrplan ist hier entscheidend für den Erfolg:

  • 3 Stunden vor dem Training: Eine größere, kohlenhydratreiche Mahlzeit mit 2-3 Gramm Kohlenhydraten pro Kilogramm Körpergewicht. Haferflocken mit Banane und Honig sind hier ein Klassiker.
  • 1 Stunde vorher: Ein leichter, schnell verdaulicher Snack mit ca. 1g/kg Kohlenhydraten, wie zum Beispiel ein Weißbrot mit Honig oder eine reife Banane.
  • Während des Trainings: Bei Einheiten über 90 Minuten sollten Sie 60-90 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde zuführen, idealerweise in flüssiger Form oder als Gel, um die Verdauung nicht zu belasten.
  • Direkt nach dem Training: Innerhalb der ersten 30 Minuten sollten 1,2g/kg Kohlenhydrate aufgenommen werden, um die Regeneration einzuleiten und die Glykogenspeicher schnell wieder aufzufüllen.

Nüchterntraining hat seinen Platz im polarisierten Trainingsmodell – aber nur für lockere Einheiten im Grundlagenbereich 1 (Zone 2). Für das gezielte Training Ihrer Laktattoleranz ist eine optimale Kohlenhydratversorgung nicht verhandelbar.

Warum brechen 70% der Radfahrer in den letzten 20 km einer Centurion völlig ein?

Der plötzliche und totale Leistungseinbruch auf den letzten Kilometern eines langen Radmarathons, oft als „der Mann mit dem Hammer“ bezeichnet, hat meist weniger mit der Laktattoleranz zu tun als mit einem viel grundlegenderen Problem: leeren Glykogenspeichern. Dieses Phänomen ist die brutal ehrliche Quittung für ein falsches Pacing oder eine unzureichende Energieversorgung in den Stunden zuvor. Der Körper hat eine begrenzte Kapazität, Kohlenhydrate zu speichern. Ein trainierter Athlet kann bestenfalls auf rund 480g Kohlenhydratspeicher in Muskeln und Leber zurückgreifen. Diese reichen bei intensiver Belastung für etwa 90 bis 120 Minuten.

Das Problem bei langen Veranstaltungen wie den Cyclassics in Hamburg oder einem Alpenmarathon ist, dass viele Fahrer am Anfang zu schnell fahren. Sie bewegen sich über ihrer aeroben Schwelle und verbrennen überproportional viele Kohlenhydrate. Der Kohlenhydratverbrauch steigt zur Leistung exponentiell an. Nur 20 Watt über der Schwelle zu fahren, kann bereits einen Mehrverbrauch von 50 Gramm Kohlenhydraten pro Stunde bedeuten. Diese Energie fehlt dann unweigerlich am Ende. Wenn die Speicher leer sind, schaltet der Körper in den Notbetrieb und greift fast ausschließlich auf die wesentlich ineffizientere Fettverbrennung zurück. Die maximal mögliche Leistung sinkt dramatisch – der Hammer kommt.

Während die Laktattoleranz darüber entscheidet, wie lange Sie eine hohe Intensität am Berg halten können, entscheidet Ihr Glykogenmanagement darüber, ob Sie überhaupt mit genügend Energie am Fuße des letzten Anstiegs ankommen. Der Einbruch auf den letzten 20 Kilometern ist also oft kein Problem der muskulären Widerstandsfähigkeit, sondern schlichtweg ein leerer Tank. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer durchdachten Pacing-Strategie und einer disziplinierten Kohlenhydratzufuhr von Anfang an, auch wenn man sich noch gut fühlt.

Die Vorbeugung ist einfach in der Theorie, aber anspruchsvoll in der Praxis: Fahren Sie die erste Hälfte des Rennens bewusst konservativ und führen Sie von der ersten Stunde an kontinuierlich 60-90 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde zu. Nur so stellen Sie sicher, dass Sie auf den entscheidenden letzten Kilometern noch die nötige Energie haben, um Ihre Leistung abzurufen.

Wie verteilen Sie 80-10-10 Intensitäten für optimale Multi-Ausdauer-Entwicklung?

Das polarisierte Trainingsmodell, oft vereinfacht als 80/20-Regel dargestellt, bietet einen exzellenten Rahmen, um verschiedene Ausdauerfähigkeiten parallel zu entwickeln, ohne den Körper zu überlasten. Eine Verteilung von 80% Training in der niedrigen Zone 2 (Grundlagenausdauer), 10% im Schwellenbereich (Zone 3-4) und 10% im hochintensiven Bereich (Zone 5, VO2max/anaerob) hat sich als hocheffektiv erwiesen. Die Herausforderung für berufstätige Amateure in Deutschland liegt darin, diese Verteilung in eine begrenzte Anzahl von Trainingstagen pro Woche zu integrieren.

Der Schlüssel liegt in der Kombination und Priorisierung innerhalb der Woche. Die langen, lockeren Einheiten (die 80%) bilden die Basis und werden idealerweise am Wochenende absolviert, wenn mehr Zeit zur Verfügung steht. Die kürzeren, aber entscheidenden intensiven Einheiten (die 2x 10%) werden unter der Woche platziert, wenn die Zeit knapper ist. Eine gute Planung stellt sicher, dass zwischen den harten Einheiten genügend Erholung liegt, die oft in Form von aktiver Regeneration (Zone 1) oder kompletten Ruhetagen stattfindet.

Für einen berufstätigen Amateur mit beispielsweise 8-10 Stunden Trainingszeit pro Woche könnte ein typischer Plan aussehen, wie er auch von Magazinen wie Bergzeit empfohlen wird:

Beispielhafter Wochentrainingsplan (80-10-10) für berufstätige Amateure
Tag Trainingseinheit Zone Dauer % der Wochenbelastung
Montag Ruhetag 0%
Dienstag Pendeln + Tempo Zone 3-4 60 Min 10%
Mittwoch Grundlage locker Zone 2 90 Min 15%
Donnerstag Intervalle 5x4min Zone 5 60 Min 10%
Freitag Regeneration Zone 1 45 Min 8%
Samstag Lange Grundlage Zone 2 180 Min 30%
Sonntag Grundlage + SST Zone 2-3 150 Min 27%

Dieser Plan integriert zwei Schlüsseleinheiten (Dienstag und Donnerstag) zur Entwicklung der Tempo- und Schwellenleistung sowie der VO2max. Der Rest der Woche dient dem Aufbau der aeroben Basis und der Regeneration. Diese Struktur ermöglicht eine ganzheitliche Entwicklung, indem sie sowohl den „Motor“ (VO2max) als auch das „Fahrwerk“ (Laktattoleranz, Tempo) trainiert, während die Grundlage für lange Belastungen gelegt wird.

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Brennen in den Beinen bei guter Atmung ist ein Zeichen für lokale (periphere) muskuläre Ermüdung, nicht für eine generelle Ausdauerschwäche.
  • Gezielte Intervalle im Sweet-Spot-Bereich (85-95% FTP) und Kraftausdauer-Einheiten mit niedriger Trittfrequenz sind entscheidend, um die muskuläre Widerstandsfähigkeit zu steigern.
  • Qualität vor Quantität: Zwei hochintensive Einheiten pro Woche, eingebettet in viel Grundlagentraining (polarisiertes Modell), sind für die meisten Amateure am effektivsten.

Wie trainieren Sie gleichzeitig Grundlagen-, Tempo- und Sprintausdauer ohne Interferenz?

Die Kunst eines fortgeschrittenen Trainingsplans besteht darin, verschiedene Energiesysteme zu stimulieren, ohne dass sich die Trainingsreize gegenseitig neutralisieren – ein Phänomen, das als Interferenz-Effekt bekannt ist. Beispielsweise kann ein hartes Ausdauertraining die molekularen Signale (AMPK-Aktivierung) für aerobe Anpassungen senden, während ein direkt folgendes Kraft- oder Sprinttraining Signale für Muskelwachstum (mTOR-Aktivierung) aussendet. Werden diese Reize zu eng getaktet, können sie sich gegenseitig abschwächen.

Die Lösung liegt in der intelligenten Sequenzierung der Trainingseinheiten innerhalb der Woche und sogar innerhalb einer einzelnen Einheit. Die Grundregel lautet: Je höher die neuromuskuläre Anforderung, desto ausgeruhter sollte der Körper sein. Daher sollten Sprints oder sehr kurze, maximale Intervalle immer am Anfang der Woche oder nach einem Ruhetag platziert werden. Längere Intervalle wie VO2max oder Schwellentraining folgen danach, während die langen Grundlageneinheiten das Wochenende füllen.

Eine weitere, sehr rennspezifische Methode ist das Kombinations-Workout. Hierbei werden verschiedene Intensitäten in eine lange Einheit integriert, um den Körper auf die wechselnden Anforderungen eines Rennens vorzubereiten. Ein in der Praxis bewährtes Protokoll, wie es von Experten auf Portalen wie radsport-rennrad.de beschrieben wird, ist das Training der Laktattoleranz im vorermüdeten Zustand: Man fährt 2 bis 3 Stunden im Grundlagenbereich (GA1) und integriert darin zwei Blöcke à 20 Minuten im Sweet-Spot-Bereich (88-93% FTP). Um die Sprintresistenz zu schulen, wird innerhalb dieser Sweet-Spot-Blöcke alle 5 Minuten für 15 Sekunden ein All-out-Sprint eingelegt. Diese Methode trainiert alle Systeme: Die lange Dauer schult den Fettstoffwechsel, die Sweet-Spot-Phasen die Laktattoleranz, und die Sprints die anaerobe Kapazität und Ermüdungsresistenz. Die zeitliche Trennung der Reize innerhalb der Einheit minimiert die Interferenz.

Die goldene Regel ist, dem Körper nach jeder Art von intensiver Belastung genügend Zeit zu geben, die spezifische Anpassung auch wirklich umzusetzen. Ein Sprinttag sollte nicht direkt von einem VO2max-Tag gefolgt werden. Ein Regenerationstag oder eine lockere Grundlageneinheit dazwischen ist entscheidend für den langfristigen Erfolg.

Die meisterhafte Kombination verschiedener Trainingsreize ist der letzte Schritt zur Maximierung Ihrer Leistung. Um diesen Prozess zu steuern, ist es entscheidend, die Prinzipien der Trainingsperiodisierung zu verinnerlichen.

Integrieren Sie diese Prinzipien konsequent in Ihren Trainingsplan, um bei Ihrem nächsten Anstieg nicht mehr die Beine, sondern die Konkurrenz brennen zu sehen. Gezieltes Training, intelligentes Pacing und die richtige Ernährung sind Ihr Schlüssel zu neuer Stärke am Berg.

Geschrieben von Lars Schmidt, Lars Schmidt ist Diplom-Sportwissenschaftler und seit 16 Jahren lizenzierter Radsport-Trainer (A-Lizenz Deutscher Olympischer Sportbund). Er leitet ein Trainingsanalyse-Labor in Frankfurt und betreut sowohl Hobbysportler als auch ambitionierte Amateure in wissenschaftlich fundierter Leistungsoptimierung.