Veröffentlicht am Mai 15, 2024

Ineffizientes Training entsteht oft durch Unkenntnis der eigenen, wahren Leistungsgrenzen. Statt auf vage Schätzungen zu vertrauen, ermöglicht ein strukturierter, zu Hause durchgeführter FTP-Test eine präzise Bestimmung Ihrer Leistungsschwelle. Dieser Artikel liefert nicht nur das exakte Protokoll für diesen Test, sondern etabliert eine datengestützte Routine, um Ihre Trainingsfortschritte systematisch zu steuern, Plateaus zu durchbrechen und das Risiko von Überlastungsschäden gezielt zu minimieren.

Jeder leistungsorientierte Radfahrer kennt das Gefühl: Trotz unzähliger Stunden im Sattel stagniert die Leistung. Man trainiert härter, fährt längere Touren, doch der erhoffte Durchbruch bleibt aus. Die Ursache liegt selten im Mangel an Disziplin, sondern vielmehr in einem fundamentalen Mangel an Präzision. Das Training „nach Gefühl“ oder anhand veralteter Herzfrequenzformeln ist wie eine Fahrt im Nebel ohne Tacho – man bewegt sich, aber ohne zu wissen, ob die Geschwindigkeit optimal, zu hoch oder zu niedrig ist.

Die gängige Antwort darauf ist oft der Verweis auf teure, professionelle Leistungsdiagnostiken im Labor. Diese sind zwar exakt, aber für eine kontinuierliche Trainingssteuerung oft zu aufwendig und kostspielig. Die meisten Athleten trainieren daher in einer Grauzone, unfähig, ihre Intensität exakt auf ihre individuelle anaerobe Schwelle abzustimmen. Dies führt unweigerlich zu zwei unerwünschten Ergebnissen: entweder zu Unterforderung, bei der Trainingsreize wirkungslos bleiben, oder, weitaus häufiger, zu einer chronischen Überlastung, die in Stagnation oder Verletzungen mündet.

Doch was wäre, wenn die eigentliche Lösung nicht in einem einmaligen Labortest liegt, sondern in der Etablierung eines dynamischen Mess- und Steuerungssystems, das Sie selbst beherrschen? Der Schlüssel liegt darin, Ihre Leistungsgrenze nicht als eine fixe Zahl zu betrachten, sondern als ein dynamisches Leistungssystem, das auf Training und Erholung reagiert. Die funktionelle Schwellenleistung (FTP) ist dabei der zentrale Ankerpunkt, den Sie mit der richtigen Methodik präzise und wiederholbar zu Hause ermitteln können.

Dieser Leitfaden führt Sie durch den gesamten Prozess: von der exakten Durchführung des 20-Minuten-FTP-Tests über die Interpretation der Daten bis hin zur Integration dieser Kennzahl in eine wöchentliche Analyse-Routine. Sie lernen, wie Sie Ihre Leistung objektiv messen, Fortschritte validieren und Ihr Training so steuern, dass jeder Kilometer Sie Ihrem Ziel näherbringt, anstatt Sie auszubrennen.

Um Ihnen eine klare Struktur für diesen datengestützten Ansatz zu geben, gliedert sich dieser Artikel in die folgenden Kernbereiche. Jeder Abschnitt baut auf dem vorherigen auf, um Sie von der Grundlagenermittlung bis zur fortgeschrittenen Analyse zu führen.

Warum kennen 60% der Radfahrer ihre FTP nicht und trainieren deshalb ineffizient?

Obwohl laut den Statista Consumer Insights der Radsport in Deutschland eine breite Basis an Interessierten hat, klafft eine Lücke zwischen der Ausübung des Sports und dem tiefgehenden Verständnis für eine effektive Trainingssteuerung. Die funktionelle Schwellenleistung (FTP) ist die wichtigste Einzelmetrik für ausdauerorientiertes Radtraining, doch eine große Zahl von Athleten trainiert ohne diese Kenntnis. Der Grund ist oft eine Mischung aus Respekt vor der Anstrengung des Tests, der vermeintlichen Komplexität und der Annahme, eine solche Messung sei nur in einem Labor möglich.

Diese Unkenntnis führt zu einem ineffizienten „Training in der Mitte“. Ohne präzise, auf der FTP basierende Trainingszonen werden intensive Intervalle nicht hart genug gefahren, um einen maximalen Anpassungsreiz zu setzen. Gleichzeitig sind die Grundlagen- und Regenerationseinheiten oft zu intensiv, was die notwendige Erholung verhindert. Das Resultat ist eine hohe Gesamtbelastung ohne die spezifischen Reize, die für eine Leistungssteigerung notwendig sind. Man sammelt Ermüdung ohne nennenswerten Trainingsfortschritt.

Die Angst vor dem Test selbst ist eine weitere Hürde. Ein FTP-Test ist eine maximale Belastung und mental herausfordernd. Moderne Software und strukturierte Herangehensweisen nehmen diesem Prozess jedoch den Schrecken. Diverse Softwaretools wie Zwift oder TrainerRoad bieten vordefinierte Testprogramme an, die den Athleten durch das Protokoll führen und die Auswertung automatisieren. Der Schlüssel liegt darin, den Test nicht als Prüfung, sondern als essenzielles Werkzeug zur Kalibrierung des eigenen Trainings zu verstehen. Ohne diese Kalibrierung bleibt das Training ein Ratespiel mit hohem Einsatz und ungewissem Ausgang.

Wie führen Sie einen 20-Minuten-FTP-Test durch, der Ihre Schwellenleistung exakt bestimmt?

Ein FTP-Test ist kein Hexenwerk, erfordert aber eine präzise Einhaltung des Protokolls, um valide und vergleichbare Ergebnisse zu liefern. Der am weitesten verbreitete und praktischste Ansatz ist der 20-minütige Test nach Hunter Allen und Andrew Coggan. Er kann sowohl auf der Straße an einem langen, ungestörten Anstieg als auch, idealerweise, zu Hause auf einem Smart-Trainer durchgeführt werden. Letzteres garantiert kontrollierte und reproduzierbare Bedingungen, frei von Verkehr oder wechselndem Terrain.

Das Protokoll selbst ist in mehrere Phasen unterteilt, um den Körper optimal auf die maximale Belastung im Hauptteil vorzubereiten. Eine gründliche Vorbereitung des Testumfelds, insbesondere eine gute Belüftung, ist entscheidend, um eine Überhitzung zu vermeiden, die die Leistung künstlich limitieren würde.

Smart-Trainer-Setup für FTP-Test mit optimaler Belüftung und Vorbereitung

Wie das Setup zeigt, sind Details wie Ventilatoren und griffbereite Getränke keine Nebensächlichkeit, sondern Teil des Testprotokolls. Der Ablauf folgt einem klaren Schema, das laut einer detaillierten Anleitung im TOUR Magazin entwickelt wurde, um eine möglichst genaue Schätzung der Stundenleistung zu ermöglichen.

Die Durchführung gliedert sich wie folgt:

  1. Warm-up: Fahren Sie sich für ca. 30 Minuten locker ein, um Muskulatur und Herzkreislaufsystem vorzubereiten.
  2. Vorbelastung: Fahren Sie für 4 bis 5 Minuten eine intensive Belastung nahe Ihrer maximalen Leistungsfähigkeit (z.B. an einem kurzen Anstieg oder mit hohem Widerstand auf der Rolle). Dies dient dazu, die schnell verfügbaren Energiereserven zu leeren und eine realistischere Leistung im Haupttest zu gewährleisten.
  3. Erholung: Fahren Sie im Anschluss 10 bis 20 Minuten sehr locker weiter, um sich vollständig von der Vorbelastung zu erholen.
  4. Haupttest: Nun folgt der entscheidende Teil: Fahren Sie 20 Minuten lang mit der maximal möglichen, gleichmäßigen Leistung. Ein gutes Pacing ist hier entscheidend. Starten Sie kontrolliert und versuchen Sie, die Leistung über den gesamten Zeitraum zu halten oder leicht zu steigern.
  5. Berechnung: Ihre FTP ist nicht die Durchschnittsleistung der 20 Minuten. Um Ihre funktionelle Schwellenleistung zu schätzen, multiplizieren Sie die im Haupttest erzielte Durchschnittsleistung mit dem Faktor 0,95. Dieser Wert dient als Basis für all Ihre Trainingszonen.

Laktattest, Herzfrequenzzonen oder Wattmessung: Welche Methode für welchen Radfahrer?

Die Entscheidung für eine Methode zur Leistungssteuerung hängt von den Zielen, dem Budget und dem gewünschten Präzisionsgrad ab. Jede Methode hat ihre Berechtigung, doch für den leistungsorientierten Athleten führt kaum ein Weg an der Wattmessung vorbei.

Herzfrequenzzonen: Die Steuerung über die Herzfrequenz ist der klassische Einstieg. Sie ist kostengünstig, da nur ein Herzfrequenzgurt benötigt wird. Allerdings ist die Herzfrequenz eine reaktive und träge Metrik, die von vielen externen Faktoren wie Temperatur, Stress, Koffein oder Ermüdung beeinflusst wird. Sie zeigt an, wie der Körper auf eine Belastung reagiert, nicht die Belastung selbst. Für Grundlagentraining ist sie ausreichend, für hochintensive Intervalle jedoch zu unpräzise.

Laktatdiagnostik im Labor: Dies ist der Goldstandard der Stoffwechselanalyse. Durch die Messung der Laktatkonzentration im Blut bei ansteigender Belastung werden die aerobe und anaerobe Schwelle exakt bestimmt. Der Nachteil sind die Kosten (typischerweise 150-250 €) und der Aufwand. Für eine kontinuierliche Trainingsanpassung wären regelmäßige Tests nötig, was schnell ins Geld geht. Einige deutsche Krankenkassen bezuschussen jedoch sportmedizinische Untersuchungen, was die Kosten relativieren kann.

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über mögliche Erstattungen durch einige große deutsche Krankenkassen, basierend auf einer Zusammenstellung von krankenkasseninfo.de.

Kostenübernahme für sportmedizinische Untersuchungen durch deutsche Krankenkassen
Krankenkasse Erstattung Bedingungen
TK Maximal 120 Euro bzw. 80% des Rechnungsbetrags Alle 2 Jahre
AOK Bayern Bis zu 75 EUR Jedes zweite Kalenderjahr für Versicherte ab 16 Jahre
AOK Hessen Bis zu 200 Euro Alle zwei Jahre im Rahmen des Gesundheitskontos
VIACTIV 90 Prozent der Kosten (maximal 140 Euro) Alle zwei Jahre bei zertifizierten Sportmedizinern

Wattmessung (Powermeter): Die Wattmessung misst die physikalische Leistung, die auf das Pedal gebracht wird – ein objektiver und sofortiger Wert. Ein Powermeter ermöglicht die präzise Steuerung von Trainingseinheiten und die Durchführung von Tests wie dem FTP-Test zu Hause. Die Anschaffungskosten (ab ca. 300-400 €) sind initial höher, amortisieren sich aber schnell im Vergleich zu wiederholten Labortests. In Relation zum durchschnittlichen Preis für E-Bikes, der bereits 2019 bei über 3.000 Euro lag, ist die Investition in ein Powermeter für einen leistungsorientierten Fahrer eine logische Konsequenz.

Die Selbstüberschätzung, die zu 80% der Überlastungsschäden und Sehnenreizungen führt

Einer der größten Fehler im ambitionierten Amateursport ist die Diskrepanz zwischen der gefühlten und der tatsächlichen Leistungsfähigkeit. Ohne objektive Daten neigen viele Athleten dazu, ihre Tagesform zu überschätzen und die Warnsignale des Körpers zu ignorieren. Dieses „Training mit dem Ego“ führt oft zu einer Belastungsspirale, bei der die Intensität konstant zu hoch ist und die Regenerationsphasen zu kurz kommen. Das Ergebnis ist nicht die erhoffte Superkompensation, sondern das Gegenteil: Übertraining.

Ein Großteil der typischen Radsport-Beschwerden – Sehnenreizungen im Knie (Patellaspitzensyndrom), Achillessehnenprobleme oder chronische muskuläre Ermüdung – sind keine akuten Verletzungen, sondern kumulative Überlastungsschäden. Sie entstehen, weil die Belastung über Wochen und Monate hinweg die Regenerationskapazität des Körpers systematisch übersteigt. Eine falsch eingeschätzte oder veraltete FTP ist hier oft der Hauptverursacher. Trainingspläne, die auf einem zu hohen Schwellenwert basieren, programmieren das Übertraining quasi vor.

Die Symptome des Übertrainings sind vielfältig und nicht nur körperlicher Natur. Dazu gehören unter anderem:

  • Leistungsabfall trotz gleichbleibenden oder erhöhten Trainingsumfangs
  • Erhöhter Ruhepuls und verzögerte Herzfrequenz-Erholung nach Belastungen
  • Anhaltende Müdigkeit und Schlafstörungen
  • Gereiztheit und mangelnde Motivation
  • Erhöhte Infektanfälligkeit
Nahaufnahme erschöpfter Radfahrer mit sichtbaren Anzeichen von Übertraining

Die objektiven Daten eines Powermeters in Kombination mit einer regelmäßigen FTP-Anpassung sind das wirksamste Gegenmittel. Sie entkoppeln die Trainingssteuerung von der subjektiven Tagesform und sorgen dafür, dass die Belastung dem tatsächlichen Leistungsvermögen entspricht. Dies erlaubt eine präzise Steuerung von Belastung und Entlastung und ist die Grundvoraussetzung, um langfristig und verletzungsfrei Fortschritte zu erzielen.

Wann im Trainingsjahr sollten Sie Ihre Leistungsgrenzen neu testen?

Ein FTP-Wert ist keine statische Größe, die einmal im Jahr bestimmt wird. Er ist ein dynamischer Indikator Ihrer aktuellen aeroben Fitness und sollte daher in strategischen Abständen neu evaluiert werden, um die Trainingszonen aktuell zu halten. Die Frage ist nicht *ob*, sondern *wann* ein Re-Test sinnvoll ist. Die Frequenz hängt stark von der Phase im Trainingsjahr ab.

Ein bewährter Rhythmus im deutschen Radsportkalender sieht typischerweise mehrere Schlüsselzeitpunkte vor. Eine gute Planung, wie sie von Experten empfohlen wird, umfasst Tests zu Beginn des Wintertrainings, um eine Baseline zu setzen, einen weiteren um den Jahreswechsel und einen abschließenden Test zum Ende des Winters, bevor die ersten Wettkämpfe oder intensiven Phasen beginnen. Jeder dieser Tests sollte idealerweise am Ende eines Regenerationsblocks oder einer Ruhewoche stattfinden, um sicherzustellen, dass Sie mit ausreichender Frische in die Belastung gehen.

Ein starrer Rhythmus von „alle 4 Wochen“ ist jedoch selten notwendig und kann zu „Test-Müdigkeit“ führen. Wichtiger ist es, auf die Signale des Trainings zu achten. Wenn Sie merken, dass die vorgegebenen Wattwerte in den Intervallen sich konstant zu leicht anfühlen, ist dies ein klares Indiz für einen Leistungszuwachs und ein guter Zeitpunkt für einen Re-Test. Die FTP dient dem Training, nicht umgekehrt. Ein guter Richtwert für die meisten Amateursportler ist eine Überprüfung alle 6 bis 12 Wochen während der Haupt-Trainingsphasen.

Fallstudie: FTP-Werte in der deutschen Jedermann-Szene

Welcher FTP-Wert ist eigentlich „gut“? Die Antwort ist relativ und hängt vom Fahrertyp und den Zielen ab. Konkrete Zahlen aus der Praxis helfen bei der Einordnung. Ein eindrucksvolles Beispiel liefert SpeedVille Coach Anton Schiffer, der beim Ötztaler Radmarathon den 5. Platz belegte. Seine FTP liegt bei beeindruckenden 5,8 W/kg. Für ambitionierte Jedermann-Fahrer gilt: Mit einem Wert von über 4,0 W/kg gehört man bereits zu den schnellen Athleten, die bei großen Marathons in den Top 100 finishen können und auch an langen Anstiegen wie dem Timmelsjoch keine größeren Probleme bekommen sollten, sofern das Pacing stimmt.

Welche 5 Kennzahlen analysieren Sie sonntags in 15 Minuten für Trainingssteuerung?

Die Ermittlung der FTP ist nur der erste Schritt. Die wahre Kunst der datengestützten Trainingssteuerung liegt in der regelmäßigen und kontextbezogenen Analyse weniger, aber entscheidender Kennzahlen. Anstatt in einer Flut von Daten zu ertrinken, sollten Sie eine feste wöchentliche Routine etablieren – ein „Sonntags-Cockpit“ – um die vergangene Woche zu bewerten und die kommende zu planen. 15 Minuten reichen dafür aus.

Diese Routine verwandelt rohe Daten in handlungsleitende Erkenntnisse. Sie identifizieren Trends, erkennen frühzeitig Überlastungsanzeichen und können Ihr Training agil anpassen. Die folgenden fünf Metriken bilden das Fundament dieses wöchentlichen Checks. Sie geben Ihnen einen umfassenden Überblick über Volumen, Intensität, Ermüdung und Effizienz Ihres Trainings.

Ihr wöchentlicher 15-Minuten-Daten-Check: Die 5 Schlüsselmetriken

  1. FTP (Funktionelle Schwellenleistung): Überprüfen Sie, ob Ihr aktueller FTP-Wert noch valide ist. Fühlten sich die Trainingseinheiten angemessen an oder deuten sie auf eine notwendige Anpassung hin? Dies ist Ihre Basis-Kalibrierung.
  2. Wöchentlicher TSS (Training Stress Score): Summieren Sie den TSS aller Einheiten der Woche. Diese Zahl repräsentiert die Gesamtbelastung. Vergleichen Sie sie mit den Vorwochen. Ein sprunghafter Anstieg ohne geplante Regenerationswoche ist ein Warnsignal.
  3. Form (CTL/ATL-Balance): Analysieren Sie den Verlauf Ihrer Chronic Training Load (CTL, Ihre Fitness) und Ihrer Acute Training Load (ATL, Ihre Ermüdung). Ein zu schnell steigender ATL im Vergleich zum CTL deutet auf ein hohes Überlastungsrisiko hin. Ihre Form (TSB = CTL – ATL) sollte vor Wettkämpfen positiv sein.
  4. Intensity Factor (IF) der Schlüsseleinheiten: Kontrollieren Sie den IF Ihrer härtesten Trainingseinheiten. Ein IF von 1.0 bei einem 20-minütigen Intervall bedeutet, dass Sie es mit 100% Ihrer FTP gefahren sind. Waren die Intensitäten wie geplant?
  5. Herzfrequenz-Kopplung (Pwr:HR Ratio): Beobachten Sie das Verhältnis von Leistung zu Herzfrequenz bei langen, gleichmäßigen Grundlageneinheiten. Wenn Ihre Herzfrequenz bei konstanter Wattleistung über die Zeit ansteigt („cardiac drift“), ist dies ein Indikator für Ermüdung oder unzureichende aerobe Fitness. Eine verbesserte Effizienz zeigt sich, wenn dieses Verhältnis stabil bleibt oder sich verbessert.

Diese disziplinierte wöchentliche Analyse ist der Motor Ihres Fortschritts. Sie stellt sicher, dass Ihr Training nicht nur hart, sondern vor allem intelligent ist. Es ist der Übergang vom reinen „Trainieren“ zur gezielten „Trainingssteuerung“.

Wann im Trainingszyklus testen Sie, um echten Fortschritt zu messen?

Während die jährliche Planung der Tests den groben Rahmen vorgibt, ist der genaue Zeitpunkt innerhalb eines Trainingszyklus entscheidend für die Validität des Ergebnisses. Ein FTP-Test misst die aktuelle Bestleistung unter optimalen Bedingungen. Ihn in einem Zustand der Erschöpfung durchzuführen, würde zu einem künstlich niedrigen Wert führen und die nachfolgende Trainingsplanung sabotieren. Der Test sollte daher immer den Abschluss eines Zyklus markieren, nicht den Anfang.

Idealerweise platzieren Sie einen FTP-Test nach einer Regenerationswoche oder zumindest nach 2-3 sehr lockeren Tagen. Dies stellt sicher, dass die zentrale und muskuläre Ermüdung des vorangegangenen Trainingsblocks abgebaut ist und Sie Ihr volles Potenzial abrufen können. Ein Test am Ende eines harten 3-Wochen-Blocks würde lediglich Ihre Leistungsfähigkeit im ermüdeten Zustand messen – eine interessante, aber für die Festlegung von Trainingszonen unbrauchbare Information.

Darüber hinaus sind weitere Rahmenbedingungen entscheidend für einen validen Test. Der wichtigste Faktor ist ein einwandfreier Gesundheitszustand. Ein Test sollte niemals mit einem schwelenden Infekt oder Restbeschwerden aus einer früheren Verletzung durchgeführt werden. Sie müssen sich zu 100% gesund und erholt fühlen. Dies ist keine Frage der mentalen Härte, sondern der physiologischen Logik.

Auch die Ernährung spielt eine wichtige Rolle. Um die maximale Leistung über 20 Minuten abrufen zu können, müssen Ihre Kohlenhydratspeicher gut gefüllt sein. Achten Sie darauf, am Testtag keine Mahlzeit auszulassen und sich ein bis zwei Stunden vor dem Test noch einen leichten, kohlenhydratreichen Snack zu genehmigen. Ein Test mit leeren Speichern misst nicht Ihre FTP, sondern Ihre Fähigkeit, mit einem Hungerast umzugehen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Ihre FTP ist der wichtigste Anker für effizientes Training. Messen Sie sie präzise mit dem 20-Minuten-Testprotokoll.
  • Daten ohne Kontext sind nutzlos. Etablieren Sie eine wöchentliche 15-Minuten-Routine zur Analyse von TSS, Form und Intensität.
  • Ein Test ist kein einmaliges Event, sondern ein Prozess. Planen Sie Re-Tests strategisch am Ende von Regenerationsphasen, um echten Fortschritt zu validieren.

Wie steigern Sie Ihre Radleistung um 15% durch intelligente Datenauswertung?

Eine Steigerung der Radleistung um 15% ist ein ambitioniertes Ziel, das allein durch „mehr Training“ kaum zu erreichen ist. Der Schlüssel liegt in einer intelligenteren und differenzierteren Auswertung der Leistungsdaten, die über die reine FTP hinausgeht. Die FTP beschreibt Ihre Ausdauerfähigkeit exzellent, aber sie sagt wenig über Ihre Sprintfähigkeit, Ihre anaerobe Kapazität oder Ihre Fähigkeit aus, kurze, harte Anstiege zu bewältigen. Hier kommt das Leistungsprofil (Power Profile) ins Spiel.

Die Sportwissenschaftler Hunter Allen und Dr. Andrew Coggan, die bereits den Begriff der FTP prägten, haben ein System entwickelt, das die Leistungsfähigkeit über verschiedene Zeitdauern analysiert. Typischerweise werden die Bestleistungen über 5 Sekunden (neuromuskuläre Leistung), 1 Minute (anaerobe Kapazität), 5 Minuten (maximale Sauerstoffaufnahme, VO2max) und 20 Minuten (als Proxy für die FTP) betrachtet. Die Analyse dieser vier Werte ergibt Ihr persönliches Leistungsprofil.

Dieses Profil deckt Ihre Stärken und Schwächen als Fahrertyp auf. Sind Sie ein Sprinter mit einer exzellenten 5-Sekunden-Leistung, aber einer schwachen FTP? Oder sind Sie der klassische Diesel, der stundenlang eine hohe Leistung halten kann, aber bei Antritten Schwierigkeiten hat? Indem Sie Ihre Werte mit den Referenztabellen von Coggan vergleichen, können Sie sich nicht nur einem Fahrertyp zuordnen, sondern auch gezielte Trainingsentscheidungen treffen. Wenn Ihr Ziel ein Kriteriumsrennen ist, Ihre 1-Minuten-Leistung aber unterdurchschnittlich ist, wissen Sie genau, woran Sie arbeiten müssen.

Die intelligente Datenauswertung bedeutet also, von einer eindimensionalen (FTP) zu einer mehrdimensionalen Betrachtung überzugehen. Sie trainieren nicht mehr nur Ihre Schwellenleistung, sondern gezielt die physiologischen Systeme, die für Ihre spezifischen Wettkampfziele entscheidend sind. Dieser Ansatz verhindert, dass Sie immer nur Ihre Stärken weiter stärken, und ermöglicht es Ihnen, Ihre limitierenden Faktoren gezielt zu verbessern. Darin liegt das wahre Potenzial für signifikante Leistungssprünge.

Beginnen Sie noch heute damit, diesen systematischen und datengestützten Ansatz in Ihr Training zu integrieren. Führen Sie einen validen FTP-Test durch, etablieren Sie Ihre wöchentliche Analyse-Routine und beginnen Sie, Ihr Training nicht nur zu absolvieren, sondern intelligent zu steuern.

Geschrieben von Lars Schmidt, Lars Schmidt ist Diplom-Sportwissenschaftler und seit 16 Jahren lizenzierter Radsport-Trainer (A-Lizenz Deutscher Olympischer Sportbund). Er leitet ein Trainingsanalyse-Labor in Frankfurt und betreut sowohl Hobbysportler als auch ambitionierte Amateure in wissenschaftlich fundierter Leistungsoptimierung.