Veröffentlicht am März 11, 2024

Zusammenfassend:

  • Der Schlüssel zum erfolgreichen Sprung ist nicht Kraft, sondern das präzise Timing der Körperbewegung.
  • Der Bunny Hop ist eine erlernbare 5-Schritte-Technik, bei der Gewichtsverlagerung wichtiger ist als Ziehen.
  • Eine sichere Progression, beginnend bei kleinen Hindernissen, verhindert Stürze und baut Selbstvertrauen auf.
  • Die richtige Landetechnik und das Wissen, wie man im Notfall abspringt („Bail-Out“), sind essenziell für die Verletzungsprävention.
  • Der Blick muss immer auf den Landepunkt gerichtet sein, niemals auf das Hindernis selbst.

Jeder Trail-Fahrer kennt diesen Moment: Der Flow ist perfekt, der Trail schlängelt sich herrlich vor einem, doch dann taucht er auf – ein querliegender Baumstamm, eine hohe Wurzelkante. Für viele Fahrer mit mittlerem Können bedeutet das: bremsen, absteigen, rüberheben, weiterfahren. Die Eleganz und der Fluss sind dahin. Die Frustration, die Technik für solche Hindernisse nicht zu beherrschen, ist groß. Viele glauben, es fehle ihnen an der nötigen Kraft oder am Mut, um solche Passagen fahrend zu meistern.

Die gängigen Ratschläge lauten oft „einfach fester am Lenker ziehen“ oder „mehr Geschwindigkeit mitnehmen“. Doch diese Ansätze führen häufig zu unsicheren Versuchen, Stürzen oder im schlimmsten Fall zu Materialschaden und Verletzungen. Das Geheimnis liegt jedoch woanders. Was wäre, wenn nicht rohe Muskelkraft, sondern ein feiner, rhythmischer Impuls den Unterschied macht? Wenn das Springen weniger ein Akt der Gewalt und mehr ein erlernbarer Tanz mit dem Fahrrad ist?

Dieser Artikel bricht mit dem Mythos der Kraft. Als Ihr persönlicher MTB-Skills-Coach führe ich Sie methodisch und sicher an die Kunst des Springens heran. Wir konzentrieren uns auf das, was wirklich zählt: den Bewegungs-Rhythmus und den perfekten Timing-Impuls. Wir beginnen mit der Analyse, warum die meisten Versuche scheitern, zerlegen dann den perfekten Bunny Hop in seine Einzelteile, diskutieren, wann welche Technik sinnvoll ist, und widmen uns ausführlich der Fehlervermeidung und einem sicheren, progressiven Training. Ziel ist es, dass Sie Hindernisse nicht mehr als Barrieren, sondern als Teil des Spielplatzes Trail sehen.

Um Ihnen den bestmöglichen Überblick über die zu erlernenden Fähigkeiten zu geben, haben wir die wichtigsten Aspekte in diesem Guide für Sie strukturiert. Sie werden lernen, wie Sie die einzelnen Techniken Schritt für Schritt aufbauen, um am Ende souverän und mit einem Lächeln über den nächsten Baumstamm zu fliegen.

Warum scheitern 70% der Springer am falschen Timing, nicht an fehlender Kraft?

Die weitverbreitete Annahme, dass für einen hohen Sprung immense Arm- oder Beinkraft nötig ist, ist der größte Bremsklotz beim Erlernen dieser Technik. In Wahrheit ist der Sprung eine dynamische Gewichtsverlagerung, die auf einem präzisen Impuls basiert. Stellen Sie sich eine Feder vor: Sie müssen sie zuerst komprimieren, um ihre volle Energie freisetzen zu können. Genauso verhält es sich mit Ihrem Körper und dem Fahrrad. Das Geheimnis ist nicht die Stärke der Kompression, sondern der exakte Moment der Freisetzung.

Der kritische Punkt ist der sogenannte Timing-Impuls: der nahtlose Übergang von der Kompressionsphase (Druckaufbau über Arme und Beine) zur Explosionsphase (Streckung des Körpers). Viele Fahrer leiten die Streckung zu früh oder zu spät ein. Wenn Sie zu früh ziehen, hebt zwar das Vorderrad, aber das Hinterrad bleibt am Hindernis hängen. Ziehen Sie zu spät, haben Sie den Impuls aus der Kompression bereits verloren und heben nur mühevoll das Rad an. Es ist dieser rhythmische Wechsel, der die Energie erzeugt, nicht die schiere Muskelkraft. Tatsächlich ist laut Experten von SAGLY das richtige Timing beim Wechsel von Arm- zu Beindruck der entscheidende Faktor.

Die Konzentration sollte also nicht auf dem Krafttraining liegen, sondern auf der Schulung des Bewegungsablaufs. Eine gute Übung ist, den Sprung zunächst trocken, ohne Hindernis, auf einer ebenen Fläche zu üben und sich nur auf den Rhythmus zu konzentrieren: tief gehen, kurz verharren, explosiv strecken. Geben Sie sich selbst laute Kommandos wie „Tief – und HOCH!“, um den Körper auf den richtigen Moment zu konditionieren. So wird aus einem Kraftakt eine fließende, effiziente Bewegung – eine perfekte Körper-Fahrrad-Einheit.

Wie führen Sie den perfekten Bunny Hop in 5 Schritten aus?

Der Bunny Hop ist die Königstechnik, um über Hindernisse wie einen 50 cm hohen Baumstamm zu springen. Er kombiniert einen Manual (Anheben des Vorderrads) mit einem gezielten Impuls, um auch das Hinterrad in die Luft zu bekommen. Wichtig: Ein schwereres Rad, wie zum Beispiel ein E-MTB, verzeiht Technikfehler weniger. Eine Studie von Norman Bieling zeigt, dass E-MTBs mit bis zu 20 kg deutlich schwerer sind, was eine saubere Technik umso wichtiger macht. Vergessen Sie das Ziehen und konzentrieren Sie sich auf diese fünf Schritte für einen dynamischen und kraftsparenden Bewegungsablauf.

E-Mountainbiker demonstriert Bunny Hop Technik in fünf Schritten

Wie auf der Abbildung zu sehen, ist der Bunny Hop eine fließende Sequenz. Hier die detaillierte Anleitung:

  1. Die Vorbereitung (L-Position): Gehen Sie in eine tiefe, zentrale Grundposition über dem Rad, Arme und Beine sind gebeugt. Ihr Körperschwerpunkt ist niedrig. Dies ist Ihre aufgeladene „Lauerstellung“.
  2. Der Manual-Impuls: Verlagern Sie Ihren Körperschwerpunkt schnell nach hinten und unten, als wollten Sie sich auf das Hinterrad setzen. Ihre Arme strecken sich dabei fast vollständig. Das Vorderrad steigt durch diese Gewichtsverlagerung auf, nicht durch Ziehen am Lenker.
  3. Die Kompression: Sobald das Vorderrad seinen höchsten Punkt erreicht hat, bringen Sie Ihren Körper wieder schnell nach vorne über den Lenker und beugen die Beine stark. Sie „drücken“ das Rad aktiv in den Boden, um die Federung und die Reifen zu komprimieren. Das ist der Moment, in dem Sie Energie für den Absprung des Hinterrads sammeln.
  4. Die Explosion & der Scoop: Jetzt kommt der Timing-Impuls. Strecken Sie sich explosiv nach oben und vorne. Gleichzeitig ziehen Sie die Füße nach oben und kippen die Pedale leicht nach vorne, sodass Ihre Sohlen das Hinterrad „hochschaufeln“ (der sogenannte „Scoop“). Ihr Körper führt das Rad nach oben.
  5. Die Landung: Strecken Sie in der Luft die Beine wieder, um sich auf eine sanfte Landung vorzubereiten. Das Ziel ist es, mit beiden Rädern gleichzeitig oder dem Hinterrad minimal zuerst zu landen. Nehmen Sie den Landestoß aktiv mit Armen und Beinen auf, anstatt steif zu bleiben.

Bunny Hop oder Manual: Welche Technik für welches Hindernis auf dem Trail?

Die Beherrschung des Bunny Hops ist ein gewaltiger Fortschritt, aber nicht jedes Hindernis auf dem Trail erfordert den vollen Einsatz. Ein guter Fahrer zeichnet sich dadurch aus, dass er die richtige Technik für die jeweilige Situation wählt, um Energie zu sparen und den Flow aufrechtzuerhalten. Die beiden wichtigsten Techniken sind hier der Bunny Hop und der Manual. Ein Manual ist das Fahren auf dem Hinterrad, eingeleitet durch reine Gewichtsverlagerung nach hinten, um das Vorderrad über ein Hindernis zu heben.

Die Entscheidung hängt hauptsächlich von der Art des Hindernisses und Ihrer Geschwindigkeit ab. Ein hoher, einzelner Baumstamm erfordert einen sauberen Bunny Hop. Eine Serie kleinerer Wurzeln oder eine „Wurzel-Treppe“ hingegen lässt sich oft flüssiger mit einem Manual überfahren, bei dem Sie nur das Vorderrad anheben und das Hinterrad einfach drüberrollen lassen. Eine besondere Relevanz für Trails in deutschen Mittelgebirgen hat der sogenannte J-Hop (oder Punch), eine schnellere, flachere Variante des Bunny Hops. Wie der Deutsche Alpenverein (DAV) feststellt, ist ein Großteil der deutschen Biker in Mittelgebirgen unterwegs, wo enge, technische Singletrails oft schnelle Reaktionen auf kleinere, aufeinanderfolgende Hindernisse erfordern. Hier ist der hohe, kraftraubende Bunny Hop oft übertrieben.

Die folgende Tabelle gibt Ihnen eine klare Entscheidungshilfe, welche Technik für typische Trail-Situationen am besten geeignet ist, basierend auf einer analyse von Sport2000rent.

Vergleich Bunny Hop vs. Manual nach Hindernistyp
Hindernis Empfohlene Technik Geschwindigkeit Risiko bei Fehler
Querliegender Stamm (hoch) Bunny Hop Mittel bis schnell Hoch (Sturz möglich)
Wurzel-Treppe Manual Langsam bis mittel Niedrig (meist nur Stopp)
Kleine aufeinanderfolgende Hindernisse J-Hop/Punch Schnell Mittel
Wellen im Flowtrail Pumpen Variabel Niedrig

Die 2 Landungsfehler, die in 90% zu Achsbruch oder Rückenschmerzen führen

Den Sprung zu schaffen ist nur die halbe Miete. Eine falsche Landung kann nicht nur den Flow zerstören, sondern auch zu schmerzhaften Verletzungen oder teuren Reparaturen führen. Eine missglückte Landung ist oft brutaler zum Material als der Sprung selbst. In deutschen Fachwerkstätten kostet eine Achsbruch- oder Felgen-Reparatur schnell 150-250€. Zwei Fehler sind dabei besonders häufig und gefährlich:

  1. Die steife Landung („Sack Kartoffeln“): Viele Anfänger machen den Fehler, in der Luft die Beine und Arme komplett durchzustrecken und steif zu lassen. Bei der Landung wird der gesamte Aufprall ungedämpft an den Körper und das Material weitergegeben. Die Folgen sind nicht nur ein unangenehmer Schlag, der durch die Wirbelsäule geht und zu Rückenschmerzen führen kann, sondern auch eine extreme Belastung für Felgen, Speichen und Achsen. Eine solche Landung ist oft die Ursache für einen Achs- oder Felgenbruch. Korrekt: Seien Sie ein „aktives Fahrwerk“. Halten Sie Arme und Beine in der Luft leicht gebeugt und bereit, die Landeenergie wie eine Feder aufzunehmen und zu absorbieren.
  2. Die kopflastige Landung (Vorderrad zuerst): Dieser Fehler passiert oft aus Angst oder bei einem zu späten Absprung. Das Vorderrad landet deutlich vor dem Hinterrad, was das Rad abrupt abbremst. Im besten Fall kommen Sie unsanft zum Stehen. Im schlimmsten Fall überschlägt sich das Hinterrad und Sie machen einen Abgang über den Lenker („OTB“ – Over The Bars). Dies ist einer der gefährlichsten Stürze überhaupt. Korrekt: Ihr Ziel sollte immer eine Landung auf beiden Rädern gleichzeitig sein. Wenn Sie wählen müssen, landen Sie immer lieber minimal auf dem Hinterrad zuerst. Das stabilisiert das Rad und erhält die Geschwindigkeit.

Manchmal merkt man schon in der Luft, dass der Sprung nicht wie geplant verläuft. Statt sich an das Rad zu klammern und einen schweren Sturz zu riskieren, ist es sicherer, die „Bail-Out“ Technik anzuwenden: das kontrollierte Abspringen vom Rad.

Ihr Notfallplan: Die Bail-Out Technik

  1. Früherkennung: Erkennen Sie so früh wie möglich in der Luft, dass die Landung misslingen wird.
  2. Wegdrücken: Lassen Sie den Lenker los und drücken Sie sich aktiv vom Fahrrad weg, um Distanz zu schaffen.
  3. Vorbereitung: Strecken Sie die Arme nach vorne, aber nicht steif, um sich auf eine Abrollbewegung vorzubereiten.
  4. Abrollen: Landen Sie niemals auf den gestreckten Armen oder Händen. Versuchen Sie, über die Schulter abzurollen, wie beim Judo.
  5. Rad loslassen: Halten Sie das Fahrrad nicht fest. Lassen Sie es kontrolliert fallen, um sich nicht daran zu verletzen. Ihre Gesundheit ist wichtiger als das Material.

In welcher Reihenfolge sollten Anfänger Sprung-Skills aufbauen: erst Höhe oder Weite?

Die klare Antwort eines jeden guten Coaches lautet: Weder noch. Der erste und wichtigste Baustein ist Konsistenz. Bevor Sie überhaupt an einen 50 cm hohen Baumstamm denken, müssen Sie in der Lage sein, ein 10 cm hohes Hindernis (z.B. ein auf den Boden gelegtes Seil oder ein kleines Stück Holz) zehn von zehn Mal perfekt und mit sauberer Technik zu überwinden. Das Ziel ist es, den Bewegungsablauf des Bunny Hops so zu verinnerlichen, dass er zur zweiten Natur wird. Erst wenn die Bewegung im Muskelgedächtnis verankert ist, sollten Sie die Höhe schrittweise steigern.

Eine hervorragende Grundlage für jeden Sprung-Skill ist das Training auf einem Pumptrack. Die wellenartige Struktur schult das Gefühl für die Kompression und den Rebound, das aktive „Drücken“ des Rads in die Senken und das „Leichterwerden“ auf den Kuppen. Diese Pump-Bewegung ist die DNA des Springens. Sie lernen hier, Geschwindigkeit ohne Pedalumdrehungen zu generieren und die Körper-Fahrrad-Einheit zu perfektionieren.

Mountainbiker übt Pump-Bewegung auf deutschem Pumptrack

Ein strukturierter Lernpfad, wie ihn beispielsweise die Rhön Trail Bikeschule in Deutschland empfiehlt, ist der Schlüssel zur sicheren Progression. Statt sich sofort am Hometrail zu überfordern, folgt der Aufbau einer klaren Logik:

  1. Konsistenz bei 10 cm: Üben Sie auf einer Wiese, bis der Bunny Hop über ein kleines Objekt perfekt sitzt.
  2. Urbane Hindernisse: Nutzen Sie Bordsteinkanten in einem verkehrsberuhigten Bereich. Hier können Sie die Höhe leicht variieren und haben eine klare Kante als Referenz.
  3. Kontrolliertes Umfeld: Suchen Sie sich eine Skill-Area in einem der vielen deutschen Bikeparks (z.B. in Willingen oder Winterberg). Dort finden Sie Hindernisse in allen Größen in einem sicheren Umfeld.
  4. Anwendung auf dem Trail: Erst wenn Sie sich in der Skill-Area absolut sicher fühlen, übertragen Sie das Gelernte auf Ihren Hometrail.

Die Frage nach Höhe oder Weite stellt sich erst viel später. Zuerst kommt die saubere Technik, dann die Konsistenz bei geringer Höhe, und erst dann können Sie beginnen, sowohl die Höhe als auch die Weite Ihrer Sprünge langsam und kontrolliert zu steigern.

Der Wurzel-Fehler, der in 80% der Fälle zum Frontsturz führt

Wurzelteppiche, besonders wenn sie feucht sind, gehören zu den gefürchtetsten Passagen für viele Biker. Der häufigste und gefährlichste Fehler passiert hier nicht auf, sondern kurz vor der Wurzel: das falsche Anbremsen. Viele Fahrer bekommen kurz vor dem Hindernis Panik, greifen zu stark zur Vorderradbremse, was das Vorderrad blockieren lässt. Auf dem rutschigen Untergrund einer nassen Wurzel oder dem feuchten Waldboden davor ist Gripverlust die Folge. Das Vorderrad rutscht seitlich weg und ein Sturz über die Front ist kaum noch zu verhindern. Wie Studien der DIMB (Deutsche Initiative Mountainbike) zeigen, führt ein blockierendes Vorderrad auf nassen Wurzeln fast garantiert zum Sturz.

Die korrekte Technik erfordert Vorausschau und eine bewusste Gewichtsverlagerung. Bremsen Sie Ihre Geschwindigkeit *vor* dem Wurzelteppich auf ein kontrollierbares Maß ab. In dem Moment, in dem Sie die Wurzeln erreichen, sind die Bremsen offen. Ihr ganzer Fokus liegt auf der Gewichtsverteilung. Gehen Sie aktiv aus dem Sattel und verlagern Sie Ihren Körperschwerpunkt leicht nach hinten. Dadurch entlasten Sie das Vorderrad, es kann leichter über die Hindernisse gleiten, anstatt daran hängen zu bleiben.

Ihr Blick ist dabei entscheidend: Schauen Sie nicht auf die einzelne Wurzel direkt vor Ihrem Rad, sondern weit voraus zum Ende des Wurzelteppichs. Ihr Gehirn wird das Fahrrad automatisch auf der besten Linie durch das Chaos steuern. Halten Sie den Lenker fest, aber nicht verkrampft, und lassen Sie das Rad unter Ihnen arbeiten. Die Federung ist dafür gebaut, solche Schläge zu absorbieren. Vertrauen Sie Ihrem Material und Ihrer Technik, anstatt sich von der Angst vor der einzelnen Wurzel lähmen zu lassen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Timing schlägt Kraft: Ihr Fokus muss auf dem rhythmischen Bewegungsablauf liegen, nicht auf dem Aufbau von Muskelkraft.
  • Technik ist alles: Meistern Sie den 5-Schritte-Bunny-Hop als Grundlage und lernen Sie, situationsbedingt zwischen Bunny Hop und Manual zu unterscheiden.
  • Sicherheit zuerst: Eine aktive Landung und die Kenntnis der Bail-Out-Technik sind entscheidend, um Verletzungen und Materialschäden zu vermeiden.

Der fatale Fehler von Anfängern, der bei 70% der Sprung-Unfälle zur Verletzung führt

Abseits aller technischen Feinheiten gibt es einen grundlegenden Fehler, der oft übersehen wird, obwohl er für einen Großteil der Unfälle verantwortlich ist: die falsche Blickführung. Viele Anfänger starren aus Angst direkt auf das Hindernis, das sie überwinden wollen – den Baumstamm, den Stein, die Kante. Doch Ihr Fahrrad fährt immer dorthin, wohin Sie schauen. Wenn Ihr Blick am Hindernis kleben bleibt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Sie genau dort landen, anstatt darüber hinweg. Dies ist ein psychologischer Reflex, der aktiv umprogrammiert werden muss.

Der legendäre deutsche Fahrtechnik-Coach Marc Brodesser fasst dieses Prinzip in seiner Fahrtechnik-Serie für MTB-News perfekt zusammen:

Schau, wohin du willst, nicht, was du fürchtest.

– Marc Brodesser, MTB-News Fahrtechnik-Serie

Fixieren Sie stattdessen den Punkt, an dem Sie landen möchten – also einige Meter *hinter* dem Hindernis. Ihr Gehirn berechnet unterbewusst die notwendige Flugkurve. Ihr Körper wird intuitiv die richtige Bewegung ausführen, um dieses Ziel zu erreichen. Ein weiterer, eng damit verbundener Faktor ist der soziale Druck. Oft passieren Unfälle, weil man sich von Freunden zu einem Sprung überreden lässt, für den man sich noch nicht bereit fühlt. Wie Diskussionen in großen deutschen MTB-Foren immer wieder zeigen, ist die Überschätzung der eigenen Fähigkeiten durch Gruppendruck eine extrem häufige Unfallursache. Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl. Wenn sich ein Sprung nicht richtig anfühlt, lassen Sie ihn aus. Eine sichere Progression ist immer besser als ein erzwungener Versuch.

Wie meistern Sie Downhill-Strecken mit über 50 km/h ohne Kontrollverlust?

Geschwindigkeiten von über 50 km/h zu meistern, ist die ultimative Prüfung der Fahrradbeherrschung. Es ist das Ergebnis, wenn alle grundlegenden Fähigkeiten – von der Balance über das Bremsen bis hin zum Springen – perfekt zusammenspielen. Es geht hier nicht um wildes Draufhalten, sondern um absolute Kontrolle und Voraussicht. Die Fähigkeit, einen Baumstamm sauber zu überspringen, ist ein Baustein dieser Kontrolle. Sie gibt Ihnen das Selbstvertrauen und die Fähigkeit, den Trail zu „lesen“ und aktiv zu entscheiden, ob Sie ein Hindernis schlucken, umfahren oder überspringen, anstatt passiv darauf zu reagieren.

Die wichtigste Technik bei hoher Geschwindigkeit ist eine extreme Weitsicht. Ihr Blick sollte nicht 5 Meter, sondern 20 bis 30 Meter vorausschauen. Sie nehmen kommende Kurven, Wellen oder Sprünge wahr, lange bevor Sie sie erreichen, und positionieren Ihren Körper und Ihr Rad entsprechend. Bei hohem Tempo wird das Rad stabiler, aber die Reaktionszeit sinkt dramatisch. Jede Bewegung muss daher minimal, präzise und bewusst sein. Ein zentraler, tiefer Körperschwerpunkt sorgt für maximalen Grip und Stabilität.

Es ist jedoch entscheidend zu wissen, wo solche Geschwindigkeiten überhaupt sicher und legal gefahren werden können. Auf geteilten Wanderwegen, die von der Mehrheit der Mountainbiker in Deutschland genutzt werden, ist dies absolut tabu und extrem gefährlich. Geschwindigkeiten jenseits der 50 km/h sind fast ausschließlich in ausgewiesenen Bikeparks, wie beispielsweise auf der offiziellen Downhill-Strecke in Winterberg, sicher und legal zu erreichen. Diese Strecken sind speziell dafür gebaut, bieten Sturzräume und sind frei von Gegenverkehr oder Wanderern.

Die Beherrschung hoher Geschwindigkeiten ist das Endresultat eines langen Lernprozesses. Sie beginnt nicht auf der Downhill-Strecke, sondern auf dem Übungsplatz mit der Perfektionierung von Grundlagen wie dem Bunny Hop. Jeder sauber überwundene Baumstamm ist ein Schritt auf dem Weg zu mehr Souveränität und letztlich auch zu mehr sicherem Tempo.

Um Ihre Technik auf das nächste Level zu heben und die hier vorgestellten Methoden unter professioneller Anleitung zu vertiefen, ist die Teilnahme an einem Fahrtechnikkurs der logische nächste Schritt. Dort können Sie Ihre individuellen Fehler analysieren und korrigieren lassen.

Häufige Fragen zum Fahren über Wurzeln

Warum passieren die meisten Stürze VOR der Wurzel?

Falsches Anbremsen und eine ungünstige Gewichtsverlagerung auf feuchtem Untergrund führen zum Kontrollverlust, noch bevor man die Wurzel überhaupt erreicht. Die Ursache ist oft eine Panikreaktion, die zum Blockieren des Vorderrads führt.

Welcher Reifendruck hilft auf nassen Wurzeln?

Ein niedrigerer Luftdruck erhöht die Auflagefläche des Reifens. Das sorgt für mehr Grip und Traktion auf rutschigen Oberflächen wie nassen Wurzeln, da sich der Reifen besser an die Unebenheiten anpassen kann.

Sollte man auf Wurzeln bremsen?

Niemals! Das Betätigen der Bremse direkt auf einer nassen Wurzel, insbesondere der Vorderradbremse, führt fast immer zum sofortigen Blockieren des Rades und einem abrupten Sturz. Die Geschwindigkeit muss immer vor dem Hindernis angepasst werden.

Geschrieben von Matthias Bergmann, Matthias Bergmann ist ehemaliger Downhill-Profi und seit 12 Jahren zertifizierter MTB-Fahrtechnik-Trainer mit DIMB-Lizenz. Er führt Fahrtechnik-Camps in den bayerischen Alpen und im Schwarzwald durch und hat über 3.000 Kursteilnehmer in technischen Disziplinen geschult.