Veröffentlicht am März 15, 2024

Entgegen der Annahme, dass man alle Ausdauerformen parallel maximieren kann, liegt der Schlüssel in der strategischen Sequenzierung der Trainingseinheiten, um den zellulären Interferenz-Effekt gezielt zu managen.

  • Das Mischen von hochintensivem und langem Ausdauertraining am selben Tag kann die jeweiligen Anpassungssignale (AMPK vs. mTOR) neutralisieren.
  • Eine starre 80/20-Regel ist ineffektiv; die Intensitätsverteilung muss sich saisonal an die Wettkampfziele anpassen (z. B. Crit-Rennen vs. Radmarathon).

Empfehlung: Priorisieren Sie die Trennung von Einheiten, die unterschiedliche Energiesysteme ansprechen, um mindestens 8 Stunden und planen Sie Ihr Training nicht als Balanceakt, sondern als gezielte, periodisierte Abfolge von Reizen.

Jeder ambitionierte Radfahrer in Deutschland, von den flachen Ebenen im Norden bis zu den Anstiegen im Schwarzwald, kennt die Herausforderung: Man möchte sowohl die stundenlange RTF mit dem Verein durchhalten als auch beim Ortsschildsprint oder am 5-Minuten-Anstieg eine gute Figur machen. Die intuitive Lösung scheint einfach: von allem etwas trainieren. Lange, lockere Einheiten für die Grundlage, harte Intervalle für die Tempofestigkeit und explosive Sprints für die Spritzigkeit. Doch oft führt dieser Ansatz zu Stagnation, nicht zu umfassender Leistungsfähigkeit. Der Grund dafür ist ein fundamentaler Konflikt, der auf zellulärer Ebene in Ihrer Muskulatur stattfindet.

Die gängigen Ratschläge konzentrieren sich oft auf vereinfachte Modelle wie das polarisierte Training nach der 80/20-Regel. Doch diese Modelle kratzen nur an der Oberfläche. Sie beantworten nicht, warum ein exzellenter Marathon-Fahrer bei einem Kriterium abgehängt wird oder warum das gleichzeitige Pushen aller Systeme oft in Übertraining endet. Der wahre Schlüssel zur Entwicklung einer kompletten Ausdauer liegt nicht im bloßen Balancieren von Trainingsinhalten, sondern im Verständnis und Management der zugrundeliegenden Energiesysteme und ihrer konkurrierenden adaptiven Signalwege. Es geht weniger darum, *was* Sie trainieren, sondern *wann* und in welcher *Reihenfolge*.

Dieser Artikel bricht mit der Idee des „Alles-gleichzeitig-Trainierens“. Stattdessen tauchen wir tief in die Physiologie ein, um Ihnen eine Strategie an die Hand zu geben: das sequenzielle Training. Sie werden lernen, wie Sie den Interferenz-Effekt nicht nur vermeiden, sondern gezielt steuern. Wir werden die unterschiedlichen Anforderungen deutscher Rennformate analysieren und zeigen, wie Sie Ihr Training spezifisch darauf ausrichten. Am Ende werden Sie nicht nur einen Trainingsplan haben, sondern eine Methodik, um Ihre Grund-, Tempo- und Sprintausdauer synergetisch und ohne gegenseitige Blockade zu entwickeln.

Um diese komplexen Zusammenhänge verständlich zu machen, führt dieser Artikel Sie schrittweise durch die physiologischen Grundlagen, die praktische Anwendung und die spezifische Anpassung an Ihre Ziele. Die folgende Gliederung gibt Ihnen einen Überblick über die Kernthemen, die wir behandeln werden.

Warum macht Sie Marathon-Training nicht automatisch besser bei 5-Minuten-Anstiegen?

Die Antwort auf diese Frage liegt tief in unserer Zellbiologie verborgen und ist als Interferenz-Effekt bekannt. Stellen Sie sich vor, Ihr Muskel hat zwei Hauptschalter für die Anpassung: Der eine, AMPK genannt, wird durch langes Ausdauertraining aktiviert und signalisiert dem Körper, effizienter mit Energie umzugehen, mehr Mitochondrien zu bilden und die Fettverbrennung zu optimieren. Der andere Schalter, mTOR, wird durch hochintensive, kraftbetonte Belastungen (wie Sprints oder 5-Minuten-Anstiege am Limit) umgelegt. Er befiehlt dem Muskel, stärker und explosiver zu werden. Das Problem: Werden beide Schalter zu kurz nacheinander betätigt, hemmt die Aktivierung von AMPK den mTOR-Signalweg. Einfach ausgedrückt: Das Signal des Marathontrainings kann das Signal des Sprinttrainings auslöschen.

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die durch Ausdauertraining induzierte AMPK-Aktivität bis zu drei Stunden anhalten kann. Ein hartes Intervalltraining am Morgen, gefolgt von einer langen Grundlageneinheit am Nachmittag, ist daher kontraproduktiv. Die Anpassungsreize heben sich gegenseitig auf. Dies erklärt, warum unterschiedliche Rennformate so unterschiedliche Athletentypen hervorbringen. Ein Radmarathon wie der Ötztaler wird durch eine extrem hohe und gleichmäßige Dauerleistung am Berg entschieden – eine Domäne des aeroben Stoffwechsels und des AMPK-Signalwegs. Ein Kriterium des German Cycling Cup hingegen erfordert Dutzende von Antritten, bei denen die Fähigkeit, Laktatspitzen zu verkraften und schnell wieder explosive Leistung zu erbringen, entscheidend ist – eine klare Anforderung an den mTOR-Signalweg und die anaerobe Kapazität.

Die Visualisierung dieses zellulären Konflikts hilft, das Konzept zu verankern. Die gegensätzlichen Anforderungen führen zu unterschiedlichen muskulären Anpassungen, die schwer gleichzeitig zu maximieren sind.

Makroaufnahme zeigt Interferenz-Effekt zwischen AMPK und mTOR in Muskelzellen

Wie diese Visualisierung andeutet, konkurrieren die Anpassung an Ausdauer (lange, faserige Strukturen) und Kraft (dichte, dicke Strukturen) auf mikroskopischer Ebene. Anstatt zu versuchen, beides gleichzeitig zu erzwingen, besteht die intelligente Strategie darin, diese Reize so zu sequenzieren, dass sie sich nicht gegenseitig stören. Dies kann durch ausreichende zeitliche Trennung (mindestens 8 Stunden) oder durch die Bündelung ähnlicher Reize in bestimmten Trainingsblöcken erreicht werden.

Wie verteilen Sie 80-10-10 Intensitäten für optimale Multi-Ausdauer-Entwicklung?

Das polarisierte Training, oft auf die 80/20-Regel (80 % lockeres Training, 20 % intensiv) reduziert, ist ein bewährtes Konzept. Für eine differenzierte Entwicklung aller drei Ausdauerformen ist jedoch eine feinere Aufteilung wie 80-10-10 (Grundlage-Tempo-Sprint) oft zielführender. Die 80 % im Grundlagenbereich (Zone 1-2) schaffen die aerobe Basis, erhöhen die Kapillarisierung und verbessern die Fettverbrennung. Die restlichen 20 % müssen jedoch strategisch aufgeteilt werden: etwa 10 % für schwellennahe Reize (Tempo, Sweet-Spot, FTP-Intervalle) und 10 % für hochintensive bis maximale Reize (VO2max-Intervalle, Sprints).

Der entscheidende Fehler vieler Athleten ist, diese Verteilung als starre, ganzjährige Regel zu betrachten. Eine effektive Multi-Ausdauer-Entwicklung erfordert eine dynamische Anpassung dieser Verteilung an die Saisonphase. Eine sinnvolle Periodisierung, wie sie von deutschen Sportwissenschaftlern empfohlen wird, zeigt, dass sich die optimale Intensitätsverteilung je nach Saisonphase verschiebt. Im Winter könnte die Verteilung eher bei 90-5-5 liegen, mit einem klaren Fokus auf dem Aufbau der Grundlagenausdauer. Im Frühjahr, wenn die ersten Vorbereitungsrennen anstehen, verschiebt sie sich zu 80-15-5, mit einem erhöhten Anteil an Schwellentraining. In der Hauptwettkampfsaison kann sie dann 75-15-10 erreichen, um die spezifische Rennleistung und Sprintstärke zu maximieren.

Eine beispielhafte Trainingswoche für einen ambitionierten Amateur in der Vorbereitungsphase könnte so aussehen, um alle Systeme gezielt anzusprechen:

  • Sonntag: Lange RTF mit dem Verein – 4 Stunden Grundlage (Zone 1-2) zur Stärkung der aeroben Basis.
  • Montag: Vollständige Regeneration oder aktive Erholung (z. B. 30 Min. lockeres Rollen).
  • Dienstag: VO2max-Intervalle – 5×4 Minuten bei 105-110 % der FTP zur Steigerung der maximalen Sauerstoffaufnahme.
  • Mittwoch: Regeneration.
  • Donnerstag: Schwellenintervalle – 2×20 Minuten bei 88-95 % der FTP zur Verbesserung der Tempohärte.
  • Freitag: Regeneration.
  • Samstag: Kurze, explosive Einheit mit Ortsschild-Sprints (z. B. 6×15 Sekunden All-Out) in einer 60-minütigen lockeren Fahrt zur Aktivierung des neuromuskulären Systems.

Dieser Plan stellt sicher, dass jede Ausdauerform einen spezifischen Reiz erhält, während genügend Regenerationszeit eingeplant ist, um den Interferenz-Effekt zu minimieren. Die härtesten Einheiten (Dienstag und Donnerstag) sind durch einen Regenerationstag getrennt.

XC-Marathon oder Crit-Rennen: Welche Ausdauer-Priorisierung für welches Format?

Die Fähigkeit, alle Ausdauerformen zu entwickeln, ist wertvoll, aber für den Wettkampferfolg ist die metabolische Priorisierung entscheidend. Kein Athlet kann in allen Disziplinen Weltklasse sein. Sie müssen entscheiden, welches Energiesystem für Ihr Hauptziel am wichtigsten ist, und Ihr Training entsprechend gewichten. Ein flaches Kriterium in Hamburg und ein hügeliges Rennen in der Eifel stellen fundamental unterschiedliche physiologische Anforderungen an den Körper.

Wie das „Deutsche Radsport-Trainingskonzept“ in einer Analyse deutscher Rennstreckenprofile hervorhebt:

Ein flaches Kriterium in Hamburg vs. ein hügeliges Rennen in der Eifel erfordern unterschiedliche Nuancen in der Priorisierung von anaerober Kapazität vs. VO2max-Leistung.

– Deutsches Radsport-Trainingskonzept, Analyse deutscher Rennstreckenprofile

Diese Priorisierung lässt sich am besten anhand der dominanten Energiesysteme für verschiedene deutsche Rennformate verdeutlichen. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick, welche Fähigkeiten für typische Rennen wie den Black Forest Ultra Marathon oder Rad am Ring entscheidend sind und welches Training priorisiert werden sollte.

Physiologische Anforderungen verschiedener Rennformate
Rennformat Priorität Schlüssel-Training Energiesystem
XC-Marathon (Black Forest Ultra) Ermüdungsresistenz, hohe FTP Sweet-Spot (90% FTP), lange Schwellenintervalle Aerober Fettstoffwechsel dominant
Crit-Rennen (Rad am Ring) Laktattoleranz, Sprint-Wiederholung HIIT, Tabatas, 30/30s Intervalle Anaerob-laktazid dominant
Jedermann-Rennen Gleichmäßige Dauerleistung Tempo-Intervalle, GA2-Training Aerob mit anaeroben Spitzen
Bergzeitfahren Maximale Schwellenleistung FTP-Intervalle, Kraftausdauer am Berg An der anaeroben Schwelle

Ein Athlet, der sich auf den Black Forest Ultra vorbereitet, wird den Fokus auf lange Einheiten und Schwellenintervalle legen, um die Ermüdungsresistenz zu maximieren. Sein Training wird stark aerob geprägt sein. Der Kriteriumsfahrer bei Rad am Ring hingegen muss seine Fähigkeit trainieren, wiederholt weit über die Schwelle zu gehen und sich schnell zu erholen. Sein Training wird einen deutlich höheren Anteil an anaerob-laktaziden Reizen enthalten. Die 80-10-10-Verteilung wird für ihn anders aussehen als für den Marathon-Spezialisten.

Die Trainingsüberlastung durch gleichzeitige Maximierung aller 3 Ausdauerformen

Der Versuch, gleichzeitig die Grundlagen-, Tempo- und Sprintausdauer zu maximieren, ist der schnellste Weg ins Übertraining. Jede intensive Trainingseinheit verursacht nicht nur muskuläre, sondern auch hormonelle und neurologische Ermüdung. Die Kombination von hohem Volumen (Grundlagentraining) und hoher Intensität (Tempo- und Sprinttraining) ohne ausreichende Regeneration überlastet das System exponentiell. Dies führt zu einem Zustand, in dem der Körper keine positiven Anpassungen mehr vornehmen kann – die Leistung stagniert oder sinkt sogar.

Warnsignale für ein metabolisches Übertraining sind vielfältig: anhaltende Müdigkeit, erhöhter Ruhepuls, Schlafstörungen, Leistungsabfall und eine hohe Infektanfälligkeit. Im fortgeschrittenen Stadium lassen sich diese Warnsignale sogar im Blut nachweisen. Eine professionelle Leistungsdiagnostik kann hier Klarheit schaffen, denn bestimmte Blutwerte wie eine erhöhte Kreatinkinase (>300 U/l) oder ein erhöhter Harnstoffwert (>50 mg/dl) sind deutliche Indikatoren für eine metabolische Überlastung.

Die wichtigste Waffe gegen Übertraining ist die geplante Regeneration, insbesondere in Form von Entlastungswochen (Deload Weeks). Anstatt zu warten, bis Sie völlig erschöpft sind, sollten Sie proaktiv alle 3-4 Wochen eine Deload-Woche in Ihren Plan integrieren. In dieser Woche wird das Trainingsvolumen drastisch reduziert, während die Intensität niedrig gehalten wird. Dies gibt dem Körper die Möglichkeit zur Superkompensation – er erholt sich nicht nur, sondern passt sich an und wird stärker.

Radfahrer in entspannter Regenerationsfahrt durch den Schwarzwald

Ihr Plan für effektive Deload-Wochen

  1. Volumen reduzieren: Senken Sie den Gesamtumfang Ihres Trainings um ca. 50 % im Vergleich zu einer normalen Woche.
  2. Intensität beibehalten (minimal): Führen Sie weiterhin kurze, aber lockere Einheiten durch (maximal GA1), um den Stoffwechsel aktiv zu halten. Vermeiden Sie harte Intervalle komplett.
  3. Timing planen: Planen Sie eine Entlastungswoche systematisch nach jedem 3-wöchigen Trainingsblock ein (3 Wochen Belastung, 1 Woche Entlastung).
  4. Fokus auf Regeneration: Nutzen Sie die gewonnene Zeit für aktive Regenerationsmaßnahmen wie ausreichend Schlaf, gute Ernährung, Stretching oder eine Massage.
  5. Ermüdung objektivieren: Überwachen Sie Ihre Herzfrequenzvariabilität (HRV) am Morgen. Ein konstanter oder ansteigender Trend ist ein gutes Zeichen der Erholung.

Eine entspannte Fahrt durch den Schwarzwald, wie im Bild dargestellt, verkörpert die Philosophie einer Deload-Woche: Bewegung ohne Belastung, die dem Körper und Geist erlaubt, sich zu erholen und für die nächsten harten Trainingsblöcke bereit zu sein.

FTP-Test, Rampentest oder Stufentest: Welcher Test für welche Ausdauerform?

Um die Entwicklung der verschiedenen Ausdauerformen gezielt zu steuern und zu überprüfen, ist eine regelmäßige Leistungsdiagnostik unerlässlich. Doch nicht jeder Test ist für jedes Ziel geeignet. Die Wahl der richtigen Methode hängt davon ab, welchen Aspekt Ihrer Leistungsfähigkeit Sie messen möchten. Die drei gängigsten Methoden für ambitionierte Amateure in Deutschland sind der Laktat-Stufentest, der 20-Minuten-FTP-Test und der Rampentest.

Der Laktat-Stufentest auf einem Ergometer gilt unter Sportwissenschaftlern als Goldstandard. Wie Analysen des renommierten Instituts Radlabor zeigen, ist er die zuverlässigste Methode im Ausdauersport zur exakten Bestimmung der individuellen anaeroben Schwelle (IANS) und der aeroben Schwelle. Durch die Messung der Laktatkonzentration im Blut bei ansteigender Belastung können die Trainingsbereiche (GA1, GA2, etc.) präzise definiert werden. Dies ist die Grundlage für ein effektives Grundlagentraining. Für fortgeschrittenere Athleten kann ein metabolisches Profiling (z.B. via INSCYD) noch tiefere Einblicke geben.

Ein hohes VLaMax aus einem INSCYD-Test deutet auf einen sprintstarken Typ hin, der eventuell mehr an seiner Fettverbrennung arbeiten muss, um auf der Langstrecke ökonomischer zu werden.

– Sportwissenschaftliche Analyse, Metabolische Profilanalyse im Radsport

Der klassische 20-Minuten-FTP-Test ist eine pragmatische Methode zur Bestimmung Ihrer funktionellen Schwellenleistung (FTP). Er ist ideal, um die Leistung bei langen, intensiven Belastungen (Tempo- und Schwellenintervalle) zu steuern. Der Rampentest, bei dem die Leistung bis zur Erschöpfung gesteigert wird, dient hingegen primär der Abschätzung Ihrer maximalen aeroben Leistungsfähigkeit (VO2max) und ist nützlich zur Steuerung von hochintensiven 3- bis 5-Minuten-Intervallen. Die folgende Tabelle fasst die Anwendungsbereiche zusammen.

Diese Übersicht hilft Ihnen bei der Auswahl der richtigen Diagnostik für Ihr spezifisches Trainingsziel.

Vergleich der Testmethoden für verschiedene Trainingsziele
Testmethode Zielparameter Ideal für Häufigkeit
Laktat-Stufentest IANS, LT1, LT2 GA1/GA2 Steuerung 1-2x pro Jahr
20-Min FTP-Test Schwellenleistung Tempo-Einheiten Alle 6-8 Wochen
Rampentest VO2max 3-5 Min Intervalle Alle 8-12 Wochen
INSCYD/PPD-Test Metabolisches Profil Gesamtanalyse 2x pro Jahr

Intervalltraining oder Long Slow Distance: Was baut mehr Langstrecken-Ausdauer auf?

Die klassische Lehrmeinung besagt: Wer lange schnell fahren will, muss lange und langsam trainieren (Long Slow Distance, LSD). LSD-Training im GA1-Bereich ist unbestreitbar wichtig. Es verbessert die Fettverbrennung, erhöht die Anzahl der Mitochondrien (die Kraftwerke der Zelle) und fördert die Kapillarisierung, also die feine Verästelung der Blutgefäße im Muskel. Es bildet das Fundament der Ausdauerleistungsfähigkeit. Doch ist es auch der effektivste Weg? Die moderne Sportwissenschaft sagt: nein, nicht allein.

Überraschenderweise kann hochintensives Intervalltraining (HIIT) die Langstreckenausdauer oft effizienter steigern als reines LSD-Training. Der Grund: HIIT setzt einen extrem starken Reiz zur Verbesserung der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max), die oft der limitierende Faktor für die Ausdauerleistung ist. Eine norwegische Studie hat gezeigt, dass kurze, hochintensive Einheiten bemerkenswerte Ergebnisse liefern können. Dies widerlegt die Annahme, dass nur langes Training die Ausdauer verbessert.

Die Lösung liegt nicht in einem „Entweder-oder“, sondern in einer intelligenten „Sowohl-als-auch“-Strategie. Die Kombination beider Methoden ist der Schlüssel. Während lange Ausfahrten am Wochenende die Basis schaffen, können kurze, intensive Einheiten unter der Woche die mitochondriale Effizienz und die VO2max gezielt verbessern. Besonders für zeitlich eingeschränkte Athleten in Deutschland ist dies eine effektive Strategie, vor allem im Winter, wenn lange Außenfahrten schwierig sind. Eine Methode wie die „Reverse Periodization“ nutzt diesen Ansatz, indem sie mit Intensität im Winter auf der Rolle beginnt und das Volumen zum Sommer hin steigert.

Eine praktische Kombination für den deutschen Radsportler könnte so aussehen:

  • Winter: Lange Einheiten am Wochenende werden durch intensive Sweet-Spot-Intervalle (z.B. 2×30 min) auf der Rolle ersetzt, um eine solide Grundlage zu legen, ohne stundenlang in der Kälte zu fahren.
  • Dienstag: Eine harte Intervall-Einheit (z.B. VO2max) sorgt für einen starken Reiz zur Verbesserung der aeroben Kapazität.
  • Wochenende im Frühjahr/Sommer: Die langen, ruhigen RTF-Ausfahrten kommen wieder in den Plan, um die spezifische Ermüdungsresistenz und den Fettstoffwechsel zu trainieren.

Diese Kombination stellt sicher, dass sowohl die „Hardware“ (Mitochondrien, Kapillaren) als auch die „Software“ (enzymatische Aktivität, VO2max) des aeroben Motors optimiert werden.

Welche Intensität und Dauer bauen maximale lokale Ermüdungsresistenz auf?

Lokale Ermüdungsresistenz ist die Fähigkeit, eine hohe Leistung über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten, ohne dass die Muskeln „zumachen“. Dies ist die entscheidende Fähigkeit für lange Anstiege, welliges Terrain wie im Teutoburger Wald oder lange Fluchtgruppen. Diese Form der Ausdauer wird nicht primär durch lockeres Grundlagentraining, sondern durch Training im Tempo- und Schwellenbereich entwickelt. Das Ziel ist es, den Körper darauf zu trainieren, Laktat genauso schnell wieder abzubauen und zu verstoffwechseln, wie es produziert wird.

Die effektivste Zone für dieses Training ist der sogenannte „Sweet Spot“, der bei etwa 88-95 % der FTP liegt. In diesem Bereich ist der Trainingsreiz hoch genug, um signifikante Anpassungen zu bewirken, aber die Belastung ist noch so moderat, dass längere Intervalle von 20 Minuten oder mehr möglich sind. Ein typisches und sehr wirksames Training sind 2-3 x 20 Minuten im Sweet-Spot-Bereich mit jeweils 5-10 Minuten lockerer Pause dazwischen. Diese Einheiten verbessern die Dauerleistungsfähigkeit erheblich.

Fallstudie: Over-Under-Intervalle für Alpenanstiege

Für die spezifische Vorbereitung auf lange Alpenanstiege, die durch wechselnde Steigungen gekennzeichnet sind, haben sich spezielle ‚Over-Under‘-Intervalle als äußerst effektiv erwiesen. Bei diesen Intervallen wird bewusst zwischen einem Tempo knapp unter der Schwelle („Under“) und knapp darüber („Over“) gewechselt. Ein Beispiel: 3-mal 12 Minuten, wobei sich innerhalb jedes Intervalls 2 Minuten bei 105 % der FTP mit 4 Minuten bei 90 % der FTP abwechseln. Diese Methode trainiert die Fähigkeit des Körpers, Laktat unter Belastung schnell wieder zu verstoffwechseln (Laktat-Shuttle), und simuliert perfekt die realen Anforderungen eines Bergpasses.

Die Intensität und Dauer dieser Intervalle hängen vom spezifischen Ziel ab. Für die allgemeine Tempohärte sind klassische Schwellenintervalle (z.B. 2×20 min @ 95-100% FTP) der Standard. Um die Fähigkeit zu verbessern, wiederholte Tempoverschärfungen wegzustecken, sind die beschriebenen Over-Under-Intervalle überlegen. Der Schlüssel ist, den Körper an eine hohe, aber noch kontrollierbare Laktatproduktion zu gewöhnen und seine Fähigkeit zur Laktatverwertung zu maximieren.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die gleichzeitige Maximierung aller Ausdauerformen ist durch den zellulären Interferenz-Effekt (AMPK vs. mTOR) physiologisch unmöglich.
  • Der Schlüssel liegt in der intelligenten Sequenzierung der Trainingseinheiten und einer saisonal angepassten Intensitätsverteilung, anstatt einer starren 80/20-Regel.
  • Die Priorisierung des Trainings muss sich nach den spezifischen Anforderungen des Wettkampfformats richten (z.B. Crit-Rennen vs. Radmarathon).

Wie erhöhen Sie die Laktattoleranz Ihrer Beinmuskulatur für 30-Minuten-Anstiege?

Die Vorstellung, für einen 30-minütigen Anstieg die „Laktattoleranz“ zu trainieren, ist ein weit verbreitetes Missverständnis. Wie Sportwissenschaftler betonen, geht es weniger darum, hohe Laktatwerte zu „tolerieren“, als vielmehr darum, die Laktatbildungsrate zu kontrollieren und die Laktatverstoffwechslung zu maximieren. Das eigentliche Ziel für einen langen Anstieg ist es, eine Leistung so nah wie möglich an der individuellen anaeroben Schwelle (FTP) über die gesamte Dauer aufrechtzuerhalten. Es ist ein Kampf um Effizienz und eine hohe, aber stabile Leistungsabgabe, nicht um das Ertragen von Schmerz.

Ein 30-Minuten-Anstieg ist weniger eine Frage der Laktattoleranz als vielmehr der Laktatbildungsrate und -verstoffwechslung. Das Ziel ist es, die FTP zu maximieren und eine hohe Leistung über lange Zeit zu halten.

– Sportwissenschaftliche Präzisierung

Das Training für solche Belastungen konzentriert sich daher darauf, die Dauer zu verlängern, die Sie an Ihrer Schwelle verbringen können. Dies wird durch progressive Schwellenintervalle erreicht. Anstatt zu versuchen, einen 30-Minuten-Test von Anfang an zu absolvieren, wird die Dauer der Intervalle schrittweise gesteigert. Dies erlaubt dem Körper, sich sukzessive an die Belastung anzupassen und die spezifische Ermüdungsresistenz zu entwickeln, die für lange Anstiege erforderlich ist. Ideale Trainingsorte dafür finden sich in ganz Deutschland, vom Schwarzwald über den Harz bis zu den bayerischen Voralpen. Aber auch im Flachland lässt sich dies mit Training auf der Rolle oder bei starkem Gegenwind simulieren.

Ein progressiver Plan zur Steigerung Ihrer Schwellenleistung für 30-Minuten-Belastungen könnte wie folgt aussehen:

  1. Woche 1-2: Beginnen Sie mit kürzeren Intervallen, z.B. 3×10 Minuten bei 100 % Ihrer aktuellen FTP mit 5 Minuten Pause.
  2. Woche 3-4: Verlängern Sie die Intervalldauer und reduzieren Sie die Anzahl, z.B. 2×20 Minuten bei 95-100 % FTP mit 8-10 Minuten Pause.
  3. Woche 5-6: Versuchen Sie, die Dauer an der Schwelle weiter auszudehnen, z.B. 1×30 Minuten oder sogar 1×40 Minuten kontinuierlich an oder knapp unter Ihrer FTP.
  4. Alternative für das Flachland: Simulieren Sie die konstante Belastung eines Anstiegs, indem Sie Intervalle auf der Rolle mit hohem Widerstand oder draußen gegen starken, gleichmäßigen Wind fahren.

Dieser Ansatz trainiert nicht die „Toleranz“ gegenüber einem Abfallprodukt, sondern die Fähigkeit Ihres aeroben Systems, eine hohe Leistung über einen langen Zeitraum zu erbringen, indem es Laktat effizient als Energiequelle nutzt. Es ist ein Training der motorischen Effizienz.

Jetzt, da Sie die Methodik zur sequenziellen Entwicklung aller Ausdauerformen verstehen, besteht der nächste logische Schritt darin, Ihren aktuellen Stand durch eine gezielte Leistungsdiagnostik zu ermitteln und diese Prinzipien in einen konkreten, auf Sie zugeschnittenen Trainingsplan zu überführen.

Geschrieben von Lars Schmidt, Lars Schmidt ist Diplom-Sportwissenschaftler und seit 16 Jahren lizenzierter Radsport-Trainer (A-Lizenz Deutscher Olympischer Sportbund). Er leitet ein Trainingsanalyse-Labor in Frankfurt und betreut sowohl Hobbysportler als auch ambitionierte Amateure in wissenschaftlich fundierter Leistungsoptimierung.