Veröffentlicht am März 12, 2024

Taube Finger beim Radfahren sind selten ein reines Handproblem, sondern meist das letzte Warnsignal einer gestörten Kraftübertragung in Ihrer gesamten Körperhaltung.

  • Übermäßige oder falsch platzierte Polsterung (in Handschuhen und am Lenker) kann die Nervenkompression verschlimmern, statt sie zu lindern.
  • Die wahre Lösung liegt in der Harmonisierung aller Kontaktpunkte (Hände, Becken, Füße) und der Stabilisierung der kinetischen Kette, beginnend bei der Rumpfmuskulatur.

Empfehlung: Analysieren Sie Ihre Handschuhe nicht isoliert, sondern als Teil eines Systems im Zusammenspiel mit Griffen, Lenkerband und Ihrer gesamten Sitzposition.

Für passionierte Langstrecken-Radfahrer gibt es kaum etwas Frustrierenderes: Mitten auf einer wunderschönen Tour, nach etwa zwei Stunden im Sattel, meldet sich erst ein Kribbeln, dann eine schleichende Taubheit in den Fingern. Der Griff wird unsicher, das Bremsen und Schalten zur Zerreißprobe. Die übliche Reaktion ist oft der Griff zu noch dickeren Gel-Handschuhen oder weicherem Lenkerband, in der Hoffnung, das Problem einfach „wegzupolstern“. Doch was, wenn diese gut gemeinte Maßnahme die Situation sogar verschlimmert? Was, wenn das Problem gar nicht primär in Ihren Händen liegt?

Dieser Artikel bricht mit dem Mythos, dass Taubheitsgefühle allein durch mangelnde Dämpfung entstehen. Wir tauchen tief in die Ergonomie des Radfahrens ein und beleuchten das Thema aus der Perspektive eines Spezialisten: Ihre Hände sind das letzte Glied einer komplexen kinetischen Kette. Die wahren Ursachen für Ihre Beschwerden liegen oft viel tiefer – in muskulären Dysbalancen im Rumpf, in der Stellung Ihrer Knie oder in einer fehlerhaften Druckverteilung, die am Becken beginnt.

Wir werden nicht nur die Symptome an der Handwurzel analysieren, sondern die systemischen Ursachen aufdecken. Statt pauschaler Empfehlungen für mehr Polsterung liefern wir Ihnen eine evidenzbasierte Strategie. Sie lernen, wie Sie Ihre Handschuhwahl, die Griff-Ergonomie und sogar Ihre Rumpfstabilität als einheitliches System betrachten, um nicht nur Ihre Hände, sondern Ihren gesamten Körper für tausende schmerzfreie Kilometer zu rüsten. Es geht nicht darum, den Druck zu dämpfen, sondern ihn von vornherein intelligent zu verteilen.

Um dieses komplexe Zusammenspiel zu verstehen, führt dieser Leitfaden Sie schrittweise von der lokalen Symptomatik zur systemischen Ursache und schließlich zur ganzheitlichen Lösung. Der folgende Überblick zeigt Ihnen den Weg zu dauerhafter Handgesundheit im Sattel.

Warum werden Ihre Finger nach 2 Stunden taub, selbst mit Gel-Handschuhen?

Das Gefühl tauber Finger, medizinisch als Parästhesie bezeichnet, ist für Radfahrer mehr als nur eine lästige Begleiterscheinung. Es ist ein klares Warnsignal Ihres Körpers, dass Nerven unter Druck stehen. Die Hauptverantwortlichen sind der Ulnarnerv, der an der Außenseite der Handfläche verläuft und für das Gefühl im kleinen Finger und Ringfinger zuständig ist, und der Mediannerv, der durch den Karpaltunnel in der Mitte des Handgelenks verläuft. Anhaltender, punktueller Druck auf diese Nervenbahnen unterbricht die Signalübertragung und führt zum gefürchteten Kribbeln und Taubheitsgefühl. Die Schwere dieses Problems wird oft unterschätzt; allein in Deutschland werden jährlich etwa 300.000 operative Eingriffe bei Karpaltunnelsyndrom durchgeführt, einer der häufigsten Folgen chronischer Nervenkompression.

Nun zur Kernfrage: Warum helfen oft selbst teure Gel-Handschuhe nicht oder verschlimmern das Problem sogar? Die Antwort liegt in der Druckverteilung. Ein dickes, weiches Gel-Polster, das nicht exakt auf Ihre Anatomie und Griffhaltung abgestimmt ist, kann den Druck von einer größeren Fläche auf einen kleineren, noch empfindlicheren Punkt konzentrieren. Statt den Ulnarnerv zu entlasten, kann ein schlecht positioniertes Polster den Druck auf ihn sogar erhöhen. Zudem „schwimmt“ die Hand auf einem dicken Polster, was zu einem Verlust der Propriozeption führt – dem Gefühl für die Position Ihres Gelenks. Ihr Körper kompensiert diesen Kontrollverlust unbewusst durch einen festeren Griff, was wiederum den Druck auf die Nerven erhöht. Ein Teufelskreis.

Die Lösung ist also nicht zwangsläufig „mehr“ Polsterung, sondern die „richtige“ Polsterung am „richtigen“ Ort, kombiniert mit einer ergonomischen Griffposition, die den Druck großflächig vom Handgelenk auf den Handballen verteilt.

Wie bestimmen Sie Ihre Handschuhgröße durch Handflächenmessung in 2 Minuten?

Ein Handschuh, der nicht perfekt passt, ist die Hauptursache für viele Handprobleme. Ein zu enger Handschuh schnürt die Blutzufuhr ab und erhöht den Druck auf die Nervenbahnen direkt. Ein zu weiter Handschuh hingegen führt zu Faltenbildung und Reibung, was nicht nur Blasen verursacht, sondern auch dazu zwingt, den Lenker krampfhaft festzuhalten, um nicht zu verrutschen. Beides führt zu Ermüdung und Schmerzen. Die Bestimmung der korrekten Größe ist daher der erste und wichtigste Schritt zur Prävention und dauert weniger als zwei Minuten.

Für die exakte Messung benötigen Sie lediglich ein flexibles Maßband. Legen Sie das Maßband um Ihre dominante Hand (die Schreibhand) an der breitesten Stelle – direkt unterhalb der Knöchel, aber oberhalb des Daumens. Der Daumen selbst wird nicht mitgemessen. Ballen Sie die Hand locker zur Faust, um den maximalen Umfang zu erfassen, und lesen Sie den Wert in Zentimetern ab. Diese Messung ist der entscheidende Indikator für Ihre Handschuhgröße.

Detailaufnahme einer Hand mit Maßband zur Größenbestimmung für Fahrradhandschuhe

Mit diesem Wert können Sie nun Ihre ideale Größe in einer Standardtabelle finden. Bedenken Sie, dass die Größen von Hersteller zu Hersteller leicht variieren können. Die folgende Tabelle dient als verlässlicher Richtwert, der auf den gängigen Industriestandards basiert.

Die nachfolgende Tabelle bietet eine Orientierungshilfe zur Umrechnung Ihres Handumfangs in die gängigen Handschuhgrößen, wie sie von vielen Herstellern verwendet werden. Diese Daten basieren auf einer umfassenden Analyse gängiger Größensysteme.

Größentabelle für Fahrradhandschuhe nach Handumfang
Größe Handumfang Handschuhgröße Empfohlene Griffweite
XXS 15 cm 6-6,5 Small/92mm
XS 16,5 cm 6,5-7 Small/92mm
S 17,5 cm 7-8 Small/92mm
M 19 cm 8-8,5 Small-Large
L 20 cm 8,5-9,5 Large/102mm
XL 20,5 cm 9,5-10,5 Large/102mm

Vollfinger oder Kurzfinger-Handschuhe für technisches Trail-Riding?

Die Wahl zwischen Vollfinger- und Kurzfinger-Handschuhen ist mehr als eine Frage der Ästhetik oder der Temperatur; sie ist eine strategische Entscheidung, die von Ihrem Fahrstil und dem Gelände abhängt. Für den Langstreckenfahrer, der sich hauptsächlich auf Asphalt oder gut befestigten Wegen bewegt, sind Kurzfinger-Handschuhe oft die erste Wahl. Sie bieten eine hervorragende Belüftung und ermöglichen ein direktes Gefühl für Brems- und Schalthebel. Ausziehhilfen zwischen den Fingern erleichtern das Abstreifen nach einer langen, schweißtreibenden Fahrt.

Sobald das Gelände jedoch technischer wird – wie beim Trail-Riding, Gravel-Abenteuern auf losem Untergrund oder im Mountainbike-Bereich – verschieben sich die Prioritäten. Hier spielen Vollfinger-Handschuhe ihre Stärken aus. Der entscheidende Vorteil ist der Schutz: Bei einem Sturz sind die Fingerkuppen und Knöchel geschützt, ebenso wie vor Ästen oder Dornen am Wegesrand. Noch wichtiger ist jedoch der verbesserte Grip. Die durchgehende Materialschicht, oft mit Silikonprints an den Fingerkuppen, sorgt für eine rutschfeste Verbindung zu den Bremshebeln, selbst bei Nässe oder starkem Schwitzen. Dies erhöht die Kontrolle und Sicherheit in anspruchsvollen Situationen erheblich.

Moderne Tests zeigen, dass der Komfort bei Langfinger-Handschuhen maßgeblich von der Verarbeitung abhängt. Modelle, die bei Tests besonders gut abschneiden, zeichnen sich oft durch ein cleveres Detail aus: nach außen verlegte Nähte. Diese simple Designentscheidung verhindert Reibungspunkte auf der Haut und sorgt für ein spürbar angenehmeres Tragegefühl, was gerade auf langen Touren den Unterschied macht. Bei der Materialwahl bietet Echtleder nach wie vor die höchste Abriebfestigkeit und damit Sicherheit bei Stürzen, obwohl hochwertige Synthetikleder in puncto Langlebigkeit und Grip stark aufgeholt haben. Für den vielseitigen Langstreckenfahrer, der auch vor technischen Passagen nicht zurückschreckt, ist ein dünner, gut sitzender Vollfinger-Handschuh oft die sicherere und letztlich komfortablere Wahl.

Die Polsterstärke, die Ihre Handgelenke nach 500 km durch Fehlhaltung schädigt

Die Versuchung ist groß, bei Handgelenksschmerzen einfach zu den dicksten verfügbaren Polstern zu greifen. Doch genau hier liegt ein weit verbreiteter und folgenschwerer Irrtum. Eine übermäßige Polsterung kann eine ergonomische Fehlhaltung nicht nur kaschieren, sondern aktiv fördern und langfristig zu Schäden führen. Die menschliche Hand ist nicht dafür gemacht, über Stunden einen runden Lenker zu umgreifen. Dies führt unweigerlich zu einem Abknicken des Handgelenks, was den Druck im Karpaltunnel drastisch erhöht. Eine allgemeine Prävalenz von 4,9% für elektroneurographisch verifizierte Fälle des Karpaltunnelsyndroms in der erwachsenen Bevölkerung zeigt, wie anfällig diese Region ist.

Ein zu dickes Polster am Handschuh verschlimmert dieses Problem auf zwei Wegen. Erstens, wie bereits erwähnt, reduziert es das taktile Feedback und die Propriozeption. Sie spüren den Lenker nicht mehr richtig, was zu einem unbewusst verkrampften Griff führt. Zweitens „füllt“ das Polster die Hohlhand, zwingt das Handgelenk aber nicht in eine gerade, neutrale Position. Der Knick im Handgelenk bleibt bestehen oder wird sogar verstärkt, während das Polster auf den bereits komprimierten Nerv drückt. Nach 500 Kilometern in dieser Fehlhaltung ist die Schädigung vorprogrammiert.

Die Lösung liegt nicht in der Dicke der Polsterung, sondern in der Formgebung der Kontaktpunkte. Hier kommen ergonomische Griffe, insbesondere solche mit einer flügelartigen Auflagefläche („Flügelgriffe“), ins Spiel. Sie unterstützen das Handgelenk und verhindern das schädliche Abknicken. Ein Experte von Ergon, einem führenden Hersteller ergonomischer Fahrradkomponenten, fasst es treffend zusammen:

Gerade auf längeren Fahrten mit zunehmender Ermüdung ist es schwierig, die ergonomisch korrekte Position der Hand zu gewährleisten. Ein korrekt eingestellter Flügelgriff kann auch hier unterstützen und das Handgelenk in der ergonomisch optimalen Position halten, ohne dass es abknickt.

– Lothar Schiffner, Ergon Fahrradkomponenten

Die Polsterung des Handschuhs sollte daher als Ergänzung zu einem ergonomischen Griff gesehen werden, nicht als dessen Ersatz. Ihre Aufgabe ist die Vibrationsdämpfung, nicht die Korrektur einer fundamental falschen Haltung.

Wie kombinieren Sie Handschuh-Polsterung und Lenkerband für optimalen Druckausgleich?

Die ultimative Lösung für Handkomfort liegt nicht in einem einzelnen Produkt, sondern in der intelligenten Harmonisierung des gesamten Griff-Systems: Handschuh, Lenkerband und Griffe. Betrachten Sie diese drei Komponenten als ein Team, das zusammenarbeiten muss, um den Druck optimal zu verteilen und Vibrationen effektiv zu filtern. Das Ziel ist eine Zoning-Strategie: Dämpfung dort, wo sie gebraucht wird, und direkter Kontakt dort, wo Kontrolle entscheidend ist. Ein häufiger Fehler ist die „Doppelpolsterung“ – ein dick gepolsterter Handschuh auf einem dick gewickelten Lenkerband. Dies führt zu einem schwammigen, undefinierten Griffgefühl und kann, wie zuvor diskutiert, den Druck auf die Nerven sogar erhöhen.

Ein besserer Ansatz ist die Schicht-Methode. Beginnen Sie mit einem hochwertigen Lenkerband von mindestens 3 mm Dicke als Basisdämpfung. Dieses absorbiert bereits einen Großteil der hochfrequenten Vibrationen von der Straße. Ergänzen Sie dies mit einem dünn gepolsterten Handschuh (maximal 2 mm Polsterstärke), dessen Polsterzonen gezielt den Ulnarnerv-Bereich an der Handaußenseite und den Handballen schützen, während die Finger und die Mitte der Handfläche für maximale Kontrolle frei bleiben. Diese Kombination bewahrt das taktile Feedback und verhindert eine Überdämpfung.

Weitwinkelaufnahme einer Radfahrerhand am Lenker mit ergonomischem Griffsystem

Für eine perfekte Abstimmung ist eine systematische Analyse unerlässlich. Die folgende Checkliste hilft Ihnen dabei, Ihr persönliches System zu optimieren und die Harmonie zwischen den Komponenten zu überprüfen. Es ist ein Prozess des Testens und Justierens, der sich auf langen Strecken jedoch um ein Vielfaches auszahlt.

Ihre Checkliste zur System-Harmonie für Handschuhe und Lenker

  1. Hauptdruckpunkte analysieren: Identifizieren Sie nach einer Fahrt, wo der Schmerz auftritt. Ist es der Ulnarnerv (Handaußenseite) oder der Karpaltunnel (Handgelenkmitte)?
  2. Grunddämpfung definieren: Wählen Sie ein Lenkerband mit mindestens 3 mm Dicke, um eine solide Basis für die Vibrationsabsorption zu schaffen.
  3. Gezielte Handschuh-Polsterung wählen: Kombinieren Sie das dicke Lenkerband mit dünn gepolsterten Handschuhen (max. 2 mm). Achten Sie darauf, dass die Polsterzonen Ihre identifizierten Druckpunkte gezielt entlasten.
  4. Doppelpolsterung vermeiden: Stellen Sie sicher, dass sich die Polsterung von Handschuh und Lenkerband nicht an derselben Stelle überlagert und einen neuen Druckpunkt erzeugt (Zoning-Strategie).
  5. System testen und justieren: Machen Sie eine 30-minütige Testfahrt. Spüren Sie neue Druckpunkte oder ein schwammiges Gefühl? Justieren Sie die Griffposition oder testen Sie eine andere Handschuh-Kombination.

Das muskuläre Ungleichgewicht, das bei 70% der Radfahrer zu Rückenschmerzen führt

Wenn Ihre Hände taub werden, ist es an der Zeit, den Blick vom Lenker abzuwenden und Ihre Körpermitte zu betrachten. Eine schwache oder unausgeglichene Rumpfmuskulatur ist eine der häufigsten, aber am meisten übersehenen Ursachen für Hand- und Handgelenksprobleme. Radfahren ist eine Haltungssportart. Ihre Rumpfmuskulatur (Bauch, unterer Rücken, Beckenboden) hat die Aufgabe, Ihr Becken zu stabilisieren und den Oberkörper aufrecht zu halten. Ist diese Muskulatur zu schwach, um die Haltearbeit über mehrere Stunden zu leisten, kollabiert der Oberkörper nach vorne. Die Folge: Ein Großteil Ihres Körpergewichts, das eigentlich vom Rumpf getragen werden sollte, lastet nun zusätzlich auf Ihren Armen, Handgelenken und Händen.

Dieser erhöhte, statische Druck ist Gift für den Ulnar- und Mediannerv. Sie können die besten Handschuhe und Griffe der Welt haben – wenn Ihr Rumpf nicht stark genug ist, um Sie zu tragen, werden Ihre Hände immer die übermäßige Last abbekommen. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 70% der regelmäßigen Radfahrer aufgrund solcher muskulärer Dysbalancen unter Rückenschmerzen leiden, die oft Hand in Hand mit Handproblemen gehen. Die Lösung liegt also nicht nur in der Optimierung der Kontaktpunkte, sondern in der Stärkung des Fundaments: Ihrer Core-Muskulatur.

Regelmäßige, gezielte Kräftigungsübungen für den Rumpf sind kein optionales „Add-on“, sondern ein fundamentaler Bestandteil der Prävention von Taubheitsgefühlen. Übungen wie der Unterarmstütz (Plank), Seitstütz oder die „Bird-Dog“-Übung stärken genau jene tiefen Muskeln, die Sie im Sattel stabilisieren. Ein starker Rumpf ermöglicht eine aufrechtere, entspanntere Haltung, nimmt den Druck von den Händen und verbessert die gesamte Kraftübertragung.

Fallstudie: Das AGR-Gütesiegel für ergonomische Griffe

Die enge Verbindung zwischen Hand-Ergonomie und Rückengesundheit wird durch die Zertifizierung von Produkten wie dem Ergon GP3-Griff durch die „Aktion Gesunder Rücken“ (AGR) eindrucksvoll belegt. In einem langwierigen Prüfverfahren bestätigte ein interdisziplinäres Gremium aus Medizinern, Orthopäden und Physiotherapeuten, dass diese Griffe eine rückenschonende Wirkung haben. Ihre ergonomische Form verteilt den Druck auf eine größere Fläche der Hand, was nicht nur die Nerven entlastet, sondern auch zu einer entspannteren Schulter- und Nackenhaltung führt und so die gesamte Rumpfmuskulatur entlastet. Dies zeigt, dass die Optimierung am Lenker eine direkte Auswirkung auf die gesamte kinetische Kette hat.

Die Knie-Innenrotation, die bei 40% zu Patellasehnen-Problemen führt

Nun vertiefen wir das Konzept der kinetischen Kette bis zu ihrem Ursprung: den Füßen und Knien. Was hat eine leichte Fehlstellung im Knie mit tauben Fingern zu tun? Auf den ersten Blick nichts, doch bei genauerer Betrachtung offenbart sich eine fatale Kettenreaktion. Eine häufige Dysbalance bei Radfahrern ist eine leichte Innenrotation des Knies während der Tretbewegung, oft verursacht durch eine falsche Cleat-Position oder eine schwache Hüftabduktorenmuskulatur. Schätzungen zufolge führt dies bei bis zu 40% der betroffenen Sportler zu Knieproblemen wie dem Patellaspitzensyndrom.

Diese Instabilität im unteren Teil der Kette bleibt jedoch nicht isoliert. Der Körper versucht, diese Ausweichbewegung im Knie und Becken zu kompensieren, um das Gleichgewicht zu halten. Diese ständigen Mikro-Korrekturen pflanzen sich über die Wirbelsäule und die Schultern bis in die Arme fort. Das Ergebnis ist eine starre, angespannte Armhaltung und eine verkrampfte Griffposition, um die Instabilität von unten auszugleichen. Der Druck auf die Hände wird ungleichmäßig und vor allem statisch, was wiederum die Nerven komprimiert. Ein Sportphysiotherapeut beschreibt diesen Zusammenhang prägnant:

Eine instabile Knieachse führt zu Ausweichbewegungen im Becken und Oberkörper, um das Gleichgewicht zu halten. Diese ständige Mikro-Korrektur führt zu einer starren Armhaltung und erhöhtem, statischem Druck auf die Nerven in der Hand.

– Sportphysiotherapeut, Triathlon-Szene Forum

Ihre tauben Finger könnten also das Endresultat einer schlecht eingestellten Schuhplatte oder einer schwachen Hüftmuskulatur sein. Dies unterstreicht, warum ein ganzheitlicher Ansatz unerlässlich ist. Die isolierte Betrachtung eines Symptoms führt selten zur wahren Ursache. Um die Wurzel des Problems individuell zu finden, ist ein Ausschlussverfahren notwendig. Ein professionelles Bikefitting ist hier der Goldstandard. Ein Experte analysiert die gesamte kinetische Kette von den Füßen über die Knie und das Becken bis hin zur Schulter- und Handposition und kann so die eigentliche Ursache der Kompensationshaltung aufdecken und beheben.

Das Wichtigste in Kürze

  • Taubheitsgefühle sind ein systemisches Problem: Die Ursache liegt oft nicht in der Hand selbst, sondern in einer gestörten kinetischen Kette, die an den Füßen beginnt und durch einen schwachen Rumpf verstärkt wird.
  • Weniger ist oft mehr: Übermäßige Polsterung an Handschuhen kann die Propriozeption stören, zu einem verkrampften Griff führen und den Druck auf Nerven sogar erhöhen.
  • Harmonisierung ist der Schlüssel: Der optimale Komfort entsteht durch das intelligente Zusammenspiel von dünn gepolsterten Handschuhen, einem dämpfenden Lenkerband und ergonomischen Griffen.

Wie schützen Sie Ihre Knie vor Verschleiß für 30 Jahre schmerzfreies Radfahren?

Nachdem wir die gesamte kinetische Kette von den Händen bis zu den Knien analysiert haben, schließt sich der Kreis bei der langfristigen Prävention. Der Schutz Ihrer Gelenke und Nerven ist keine einmalige Einstellung, sondern ein kontinuierlicher Prozess aus Kräftigung, Mobilisierung und Selbstwahrnehmung. Um 30 Jahre lang schmerzfrei im Sattel zu sitzen, müssen Sie Ihren Körper als ein anpassungsfähiges System verstehen, das regelmäßige Pflege benötigt. Manche Menschen sind zudem anatomisch anfälliger für Nervenkompressionen. So ist beispielsweise bei 70-80% der Bevölkerung das sogenannte Struther’sche Ligament, eine Bandstruktur am Ellenbogen, nur fibrös angelegt, was unter Belastung zu einer Kompression des Mediannervs führen kann.

Dies bedeutet, dass proaktive Maßnahmen zur Nervengesundheit für Langstreckenfahrer unerlässlich sind. Eine Schlüsseltechnik hierfür ist die Neurodynamik, auch als „Nerve Flossing“ bekannt. Dabei handelt es sich um sanfte Bewegungsübungen, die darauf abzielen, die Nerven in ihren Gleitkanälen zu mobilisieren, ihre Durchblutung zu verbessern und Verklebungen zu lösen. Diese Übungen können helfen, die Symptome der Nervenkompression zu lindern und deren Wiederauftreten vorzubeugen. Sie sind einfach zu erlernen und lassen sich perfekt in Ihre Aufwärm- oder Abkühlroutine integrieren.

Die folgenden Übungen sind ein guter Einstieg in die Pflege Ihrer Nervenbahnen:

  • Nerve-Flossing Ulnarisnerv: Strecken Sie einen Arm seitlich auf Schulterhöhe aus, Handfläche nach oben. Beugen und strecken Sie das Handgelenk langsam, als würden Sie jemandem „Stopp“ zeigen und die Hand dann wieder entspannen. 3 Sätze à 10 Wiederholungen pro Seite.
  • Nerve-Flossing Mediannerv: Strecken Sie den Arm leicht nach hinten und unten, spreizen Sie die Finger und ziehen Sie das Handgelenk nach oben in Richtung Unterarm. 3 Sätze à 10 Wiederholungen.
  • Handgelenkskreisen: Kreisen Sie Ihre Handgelenke langsam in beide Richtungen für jeweils 15 Sekunden, um die Mobilisation zu fördern.
  • Fingerstreckung gegen Widerstand: Legen Sie ein Gummiband um Ihre Finger und spreizen Sie diese gegen den Widerstand. 3 Sätze à 15 Wiederholungen pro Hand zur Kräftigung der Gegenmuskulatur.

Indem Sie die Stärkung Ihres Rumpfes, die korrekte Einstellung Ihrer Kontaktpunkte und die regelmäßige Mobilisierung Ihrer Nerven kombinieren, schaffen Sie die Grundlage für eine lange und beschwerdefreie Radsportkarriere.

Beginnen Sie noch heute damit, Ihren Körper als ein zusammenhängendes System zu betrachten. Nutzen Sie die Checklisten und Übungen aus diesem Leitfaden, um eine Selbstanalyse durchzuführen und die ersten Schritte in Richtung eines schmerzfreien Fahrerlebnisses zu gehen. Für eine tiefgehende Analyse Ihrer persönlichen Biomechanik ist die Konsultation eines professionellen Bikefitters der nächste logische Schritt.

Häufige Fragen zum Thema Handschuhe und Handgesundheit beim Radfahren

Sind dickere Polsterungen bei MTB-Handschuhen besser?

Nein, für sportive MTB- und Rennradfahrer werden dünnere Polsterungen empfohlen, da sie eine bessere Lenkerkontrolle und Propriozeption ermöglichen. Zu dicke Polster können die Bewegungsfreiheit der Finger beim Bremsen und Schalten einschränken und zu einem verkrampften Griff führen.

Welches Material bietet den besten Schutz bei Stürzen?

Echtleder bietet nach wie vor die höchste Sicherheit bei Stürzen, da es extrem robust, abriebfest und gleichzeitig hautverträglich ist. Moderne Synthetikleder-Materialien haben in den letzten Jahren jedoch stark aufgeholt und sind mittlerweile in puncto Schutz und Haltbarkeit fast ebenbürtig.

Wie wichtig sind Touchscreen-fähige Fingerspitzen?

Für Radfahrer, die ein GPS-Gerät oder Smartphone zur Navigation nutzen, ist diese Funktion sehr praktisch. Viele neue Langfinger-Handschuhe haben am Zeigefinger eine spezielle Beschichtung, die die Bedienung von Touchscreens ermöglicht, ohne dass der Handschuh ausgezogen werden muss, was besonders bei Kälte oder während der Fahrt ein großer Vorteil ist.

Geschrieben von Katharina Hoffmann, Dr. med. Katharina Hoffmann ist Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie mit Zusatzbezeichnung Sportmedizin. Seit 11 Jahren leitet sie die sportorthopädische Ambulanz einer großen Klinik in Freiburg und behandelt überwiegend Radsportler mit Überlastungsschäden und akuten Verletzungen.